1001 - Der Alptraum beginnt
einen verbrannten Leib erinnert hatte.
So auch hier.
Sie kamen näher, und er hörte sie. Während sie sich plump bewegten, schabten gewisse Stellen an ihren Körpern übereinander, und Horace hörte das leise Knistern. Er kannte das Geräusch. Es entstand auch, wenn Holzkohle gegen Holzkohle gerieben wurde, und wieder mußte er sich schütteln.
Man hatte ihn eingekreist. Er war wehrlos. Die Gewehre lagen im Wagen, er kam nicht an sie heran. Es war ihm auch nicht möglich, normal aufzustehen, um den Kreis dieser Wesen mit Gewalt zu durchbrechen. Er mußte einfach auf dem kalten Boden sitzen bleiben und sich dem Schicksal ergeben.
Genau in diesem Moment, als sich der Kreis des Todes noch enger zog, drehte Horace F. den Kopf und schaute gegen die Beifahrerseite des Range Rovers.
Dahinter sah er seine Frau.
Sie war aus der Bewußtlosigkeit erwacht, denn sie bewegte sich wieder. Er sah den Schatten ihres linken Profils, und sie drehte den Kopf.
Das Gesicht befand sich hinter der Scheibe. Ein bleichgelber Fleck, den irgend jemand gegen das Fenster geschleudert hatte.
Sinclairs Lippen zuckten. Er sah aus wie jemand, der etwas sagen wollte, aber er schaffte es nicht. Er konnte nur Blickkontakt mit seiner Frau aufnehmen, die auch ihn möglicherweise sah, denn sie zog sich nicht wieder zurück, sondern blieb direkt an der Scheibe. In Höhe des Mundes beschlug die Scheibe durch den Atem. Horace freute sich, als er sah, daß die Scheibe beschlug. Also atmete sein Frau.
»Ich komme, Mary. Du kannst dich auf mich verlassen. Ich komme, und ich hole dich raus. Wir haben uns immer aufeinander verlassen, kön…«
Nein, er sprach nicht mehr weiter. Er wußte, daß es keinen Sinn mehr hatte, auch nur den geringsten Versuch zu unternehmen, denn die nicht erklärbaren Gestalten mit den Totenaugen hatten ihn erreicht.
Eingekesselt!
Beinahe zum Anfassen nahe standen sie um ihn herum. Er sah die runden, mit Totenlicht gefüllten Augen in seiner unmittelbaren Nähe. Sie schwebten über ihm, bewegten sich.
Horace F. Sinclair hörte das Knistern von allen Seiten. Die schrecklichen Geräusche, die ihm vorkamen wie ein Todesmelodie, die für ihn allein bestimmt war und ihn auf den Weg ins Jenseits begleiten sollte.
Etwas schimmerte an verschiedenen Stellen auf, aber nie weit von den dunklen Umrissen entfernt.
Metall?
Waffen?
Die Gestalten bewegten sich. Die schwarzen Massen drückten sich an den verschiedensten Stellen vor. Auch in Sinclairs Richtung.
Plötzlich zogen sich die Unbekannten mit den hellen Augen wieder zurück. Sie waren weg, als hätte man sie zur Seite geblasen. Jemand anderer erschien. Es war ein Bild der Erinnerung, das Horace F. Sinclair so deutlich sah.
Donata war gekommen.
Wie ein Nebelhauch wehte die Totenfrau heran. Sie hatte ihren Kopf gesenkt, um ihn anschauen zu können. Sie sah so furchtbar aus, das Gesicht schien noch stärkere Wunden zu zeigen, und sie nickte dem einsamen Mann wieder zu.
Er wollte etwas fragen, aber sein Mund blieb geschlossen. Nichts ging mehr, nur Donata war vor ihm erschienen. Sinclair verspürte den Wunsch, beide Hände auszustrecken, um sie anzufassen. Sie sollte ihm Trost geben. Sie war ein Stück Hoffnung, aber ihre Stimme zerstörte dieses Gefühl in ihm.
»Diesmal gibt es kein Entrinnen, Horace. Jetzt mache ich meinem Namen alle Ehre. Ich bin die Totenfrau, und wer mich sieht, muß sterben. Denk an den Fluch, denk an den Fluch der Sinclairs. Ein Sinclair will das größte Geheimnis lösen. Er will der Menschheit etwas sagen, aber die anderen Kräfte sind dagegen. Sie wollen es nicht zulassen. John hätte sich auch nicht weigern können, er ist dafür bestimmt. Es tut mir leid für euch, sehr leid, aber auch ich kann das Schicksal nicht aufhalten…«
Ihre Worte verwehten, und sie selbst verschwand. Die Totenfrau löste sich vor den Augen des Mannes auf, und die mit dem Totenlicht gefüllten Kreise traten wieder deutlicher hervor, als wären Löcher in die Luft gebohrt worden.
Horace F. wollte schreien. Er hielt die Arme noch immer schräg hoch. Die Hände waren gespreizt und leicht gekrümmt. So sah jemand aus, der um Hilfe bat und trotz allem keine kriegte.
Er sah auch den Wagen. Das Fenster an der Seite. Das Gesicht dahinter.
Marys Gesicht er rief ihren Namen. Nein, es war kein Rufen, es war nur ein Flüstern.
Etwas strich über seinen Bauch hinweg. Sinclair zuckte zusammen, und das Etwas drang in ihn ein. Tief, sehr tief, und er spürte, wie das Blut aus der
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