1001 Nachtschichten
Grund zu husten, Sie haben doch darauf bestanden‹, sagte ich, ›und zweitens, wenn ich zur Seite gehustet hätte, hätten Sie bestimmt moniert: Er versteckt seinen Husten, er hat was zu verbergen, der hat bestimmt Tuberkulose. Drittens, ich bin kein Bauer! Wenn ich auch nur ein bisschen Land gehabt hätte, würde ich ja wohl kaum nach Deutschland fahren wollen.‹
Aber der Kurzkittel wollte die Gelegenheit ordentlichausnutzen, um sich bei seinem deutschen Chef weiter einzuschleimen (so wie ich jetzt!):
›Mein Gott, die netten Deutschen untersuchen deine Gesundheit, damit du in Deutschland ein glückliches Leben führen kannst, und du rotzt dem Doktor mitten ins Gesicht! Das kann doch nicht wahr sein‹, schimpfte er weiter.
Und irgendwann, nachdem er dachte, dass er in den Augen seines Chefs genug gutes Karma gesammelt hätte, um in seinem nächsten Leben als blonder Langkittel in irgendeinem deutschen Kaff wiedergeboren zu werden, beruhigte er sich langsam und hörte nach einer Weile ganz mit dem Fluchen auf.
Danach drückte man uns allen ein kleines Plastikfläschchen in die Hand, und der Kurzkittel brüllte:
›Ihr müsst jetzt draußen in diese Flaschen Wasser lassen und sie dann nebenan bei dem Fräulein abgeben. Vergesst bloß nicht, euren Namen draufzuschreiben!‹, und dann schaute er mich böse an und zischte: ›Ich hoffe, du weißt wenigstens, wie man pinkelt!‹
›Ich werde Sie bestimmt nicht enttäuschen! Ich übe dafür auch schon seit ein paar Jahren sehr tüchtig‹, rief ich. ›Wenn Sie wollen, können Sie sich ja davon überzeugen, zugucken kostet nichts!‹
Das war die berühmte und viel gefürchtete Urinbesichtigung!
Aber: Not macht erfinderisch, und wir Türken haben natürlich für alles eine Lösung!
Draußen auf dem Hof verkauften einige Menschen, bei denen schon erwiesen war, dass sie gesund sind, ihren Urin.
›Gesunde Pisse 200 Lira! Gehen Sie kein Risiko ein, meine Herren, kaufen Sie gesunde Pisse, solange der Vorrat reicht. Los, frische, gesunde Pisse, setzen Sie Ihre Zukunft nicht aufs Spiel, kaufen Sie gesunde Pisse! Beeilung, bald ist nichts mehr da‹, brüllte mir einer von denen mit Megafon höllisch laut ins Ohr. Ein Glück, dass meine Ohren schon vorher den Gesundheits-Tscheck hinter sich hatten.
›Bruder, kannst du bitte schnell das Fläschchen hier auffüllen?‹, sagte ich hocherfreut zu ihm.
›200 Lira kriege ich dafür‹, grinste er gierig.
Bei Allah, welch Schandfleck der Menschheit, dachte ich mir. Nur weil ich ihn jetzt brauche, will er mich ausrauben. Auf einer öffentlichen Toilette müsste er bezahlen, um überhaupt pinkeln zu dürfen.
›Bruder, kannst du denn nicht aus reiner Nächstenliebe hier etwas reinpinkeln?‹, fragte ich den Halsabschneider zaghaft.
›Geht nicht, mein Herr, wer pinkelt denn schon aus reiner Nächstenliebe? Ich habe Frau und Kinder – und zwei Schwiegermütter. Ich muss sieben Mäuler stopfen. Damit verdiene ich mein Brot. Die anderen verkaufen sogar noch teurer‹, rief er selbstsicher ins Megafon. Er wusste durch jahrelange Tätigkeit natürlich ganz genau, dass meine goldene Zukunft in Deutschland von seinem stinkenden Urin abhing.
›Na gut, dann gebe ich dir 100 Lira‹, sagte ich gönnerhaft als baldiger E U-Bürger , wobei ich einen Hauch von Mitgefühl für seine schwierigen Lebensbedingungen in meiner Stimme deutlich erkennen ließ.
›100 Lira bringen nicht einmal das Kapital wieder herein, mein Herr‹, sagte der Gauner frech und pfiff damals schon auf die EU.
›Wie kommst du denn auf so einen Schwachsinn? Seit wann braucht man denn für’s Pinkeln Kapital?‹, stauchte ich den unverschämten Kerl zusammen, der sich durch bloßes Pinkeln in eine Plastikflasche aus meiner prekären Lage einen pekuniären Vorteil verschaffen wollte.
›Aber selbstverständlich kostet Pinkeln Geld‹, antwortete er wieder rotzfrech, ›von nichts kommt nichts! Ich muss doch ständig trinken, damit was kommt, nicht wahr? In diesem Land ist das Wasser doch viel teurer als Benzin!‹
Das leuchtete mir natürlich ein! Urin mit Benzin würden die Deutschen mit Sicherheit nicht akzeptieren!
›125 Lira gebe ich dir‹, sagte ich wohlwollend.
Schließlich lebten wir im Orient, das Handeln gehörte dazu.
›150 Lira, Bruder, noch weiter runter gehe ich nicht!‹, stellte er sich stur wie eine Bergziege. Ich sah ein, dass er doch mindestens die investierten Lira wieder verdienen musste, und willigte schweren Herzens ein.
Er
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