1001 Nachtschichten
Parole.
Ich reiche ihm das anatolische Rezept für Börek mit Schafskäsefüllung für acht Personen rüber.
»Spinnst du? Wir sind doch nur zwei Leute zu Hause. Glaubst du, wir legen uns noch sechs Kinder zu?«, meckert er.
»Tut mir leid, meine Frau kennt nur Rezepte für mindestens acht Leute. Ihre Frau braucht ja alles nur durch vier zu teilen«, schlage ich vor.
»Das klappt nicht, meine Frau ist ’ne echte Naturblondine«, krümmt er sich über seinen eigenen Witz vor Lachen und schiebt sich ein dickes Stück Frauennabel in den Mund.
»Halt, halt, das ist doch die Nachspeise«, rufe ich vergebens.
»Ist doch egal, im Magen mischt sich sowieso alles«, schmatzt er wieder und zeigt seine gelben Zähne.
Schön, wenn das so ist, kann ich ja morgen gleich alles in einen Pott schmeißen und brauche nicht tausend kleine Schüsselchen mitzuschleppen!
Das Experiment-1001 »Mit Geschichten schleimen und mit Essen schmieren« ist eindeutig entschieden worden: Leckeres orientalisches Essen sorgt für gute Laune und bringt die Menschen schneller auf frohe Gedanken als alle orientalischen Geschichten zusammen.
Aber ob man damit auch wirklich Kündigungen verhindern kann, darauf bin ich sehr gespannt. Andererseits: Wenn es so wäre, hätten wir nicht so viele Arbeitslose – zumindest nicht so viele ausländische.
»Was ist aus deiner kriminellen Tätigkeit geworden?«, schmatzt er.
»Was für eine kriminelle Tätigkeit denn? Ich habe Inge Peters nicht umgebracht. Zumindest nicht bei vollem Bewusstsein!«
»Ich meine doch deinen Versuch, die deutschen Behörden in Istanbul zu bescheißen! Du hast doch Pisse gekauft,um die Ergebnisse der Untersuchungen von Herz und Nieren zu verfälschen. Ist das mit dem Fremdurin den Ärzten nicht aufgefallen?«
»Nein, die haben nichts bemerkt, es ist alles gut gegangen. Ich bekam den ersehnten Pass als Gastarbeiter. Im Grunde genommen habe ich es nur den drei schwarzen Oliven aus dem Dorf und der hervorragenden Qualitätspisse aus Istanbul zu verdanken, dass ich zu Ihnen nach Bremen kommen durfte. Aber vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn ich mich damals, anstatt nach Deutschland zu kommen, in Istanbul selbstständig gemacht hätte – als Urinverkäufer!«
»Ab sofort hast du die Gelegenheit dazu. Du kannst bereits morgen in Istanbul als selbstständiger Urinverkäufer anfangen«, grinst er und hält mir das gefürchtete Papier unter die Nase.
So, das habe ich nun davon!
Mein Schlusssatz war reichlich unüberlegt und total daneben. Ich habe den Meister regelrecht dazu eingeladen, mir meine Kündigung auszusprechen.
»Aber der Beruf des Urinverkäufers ist doch längst nicht mehr zeitgemäß! Die Deutschen lassen die Türken nicht mal mehr als Touristen einreisen. Außerdem habe ich Zucker, Hämorrhoiden, Cholesterin, und bei meiner Prostata brauche ich einen ganzen Tag, um ein kleines Glas halb voll zu bekommen«, stottere ich notgedrungen.
Wenn Scheherazade auch so leichtsinnig, besser gesagt, so blöd vorgegangen wäre, hätte der König sie gleich nach der ersten Nacht mit dem abgehackten Kopf unter dem Arm wieder nach Hause geschickt.
»Herr Viehtreiber, mit dem Urin ist es ja grade noch mal gut gegangen, aber wenn Sie wüssten, was meiner Familie und mir gleich nach unserer Ankunft in Deutschland passiert ist, würden Sie sich schieflachen«, rufe ich, als wäre mir just in dieser Sekunde die witzigste, die originellste, die interessanteste Geschichte aller Zeiten eingefallen. Sozusagen die Mutter aller Geschichten. »Ich lache mich ja nach so vielen Jahren selber immer noch kaputt!«, kichere ich weiter und klopfe mir auf die Schenkel … Und schaue total gespannt in seine Augen, ob er diesen Trick erneut schlucken wird. Ein klein bisschen Hilfe brauche ich noch – eine kulinarische!
»Hier, nehmen Sie doch noch einen Zucchinipuffer mit Käsecreme, Mann, der ist lecker! Und in diesen Kebab mit Joghurt auf Fladenbrot könnte ich mich reinlegen. Und wissen Sie, wie man diese ›Baklava nach Hausfrauenart‹ eigentlich nennt: Frauennabel heißen die – Frauennabel! Beißen Sie zu!«
Sein entschlossener Gesichtsausdruck von eben, als er mir fast gekündigt hat, weicht zusehends einem zufriedenen und neugierigen …
Und …
Und …
Und er beißt an! Im doppelten Sinne!
»Nun erzähl schon, Osman, was ist denn nach deiner Ankunft in Deutschland so Lustiges passiert?«, schlürft er laut meinen türkischen Wein und schiebt sofort einen Frauennabel
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