1001 Nachtschichten
Tellerwäscher zum Millionär« erfunden. »Vom I-Mäil -Dieb zum Millionär«! Wer weiß, vielleicht hat es ja Bill Gäyts auch so geschafft!
Keine halbe Stunde später werde ich durch lautes Gebrüll wieder aus Hawaii zurückgeholt, wo ich mit zwei einheimischen Schönheiten gerade gemütlich am Strand lag und aus einem großen Glas irgendein grünes Zeug mit Ananas-Scheiben und einem Papier-Schirmchen an der Seite schlürfte.
»Wer war das?«, tobt Mehmet. »Wer hat sich an meinem Kompjuter vergangen?«
Meine Frau petzt ihm sofort voller Schadenfreude, dass ich das ganze Wochenende über sein Zimmer nicht verlassen habe.
»Vater, das kann doch nicht wahr sein! Was hast du nur gemacht?«, schreit er mich mit hochrotem Kopf und blutunterlaufenen Augen an.
»Was willst du denn? An deinem Kompjuter wurde zum ersten Mal Geld verdient«, wehre ich mich.
»Ich habe Hunderte von Rück-Mäils bekommen! Alle Leute fragen mich, ob ich denn wirklich so blöd sei, auf so eine billige Verarsche reinzufallen!«
»Mehmet, ärgerst du dich etwa, dass ich meinen Namen für den Scheck angegeben habe? Um reich zu werden, musst du schon selber was tun, mein Sohn, und sehr viele I-Mäils verschicken!«
»Meine Freunde lachen sich über mich kaputt. Sie spotten darüber, dass ich den weltgrößten Kapitalisten um eine milde Gabe anbetteln würde, und wildfremde Menschen fragen mich, ob eigentlich alle Türken so doof sind wie ich!«
»Mehmet, damit du es weißt, wenn du hier noch länger rumbrüllst, werde ich dich enterben!«
»Ich bitte darum! Ich hab sowieso keine Lust, deine dämlichen Schulden zu übernehmen!«
»Du Idiot! Du hast ja auch keine Ahnung, dass dein Onkel Bill Gäyts mir in zwei Wochen mindestens 1 000 000 Euro überweisen wird! Lies doch bitte schön diese Mäil von Susi und ihrem Freund Tim, der ein Wirtschafts-Anwalt ist. Na, da staunst du, was?«
Er guckt es sich kurz an, zeigt mir den Vogel und knallt mir seine Tür vor der Nase zu.
Plötzlich plagen mich doch gewisse Zweifel bezüglich der ersten Million. Ich beschließe, mein normales Lebenerst mal so lange weiterzuführen, bis das Geld auch wirklich auf meinem Konto gelandet ist. Deshalb ziehe ich brav die Klamotten an, die meine Frau für mich nach Meisegeiers Geschmack aufs Bett gelegt hat, und mache mich auf den Weg in die Arbeit.
Meine Kollegen in Halle 4 sind alle völlig aus dem Häuschen, als sie mich im Umkleideraum in der rosa Blazerjacke mit den zwei hübschen Knöpfen und in einer frisch gebügelten grünen Bundfaltenhose erblicken. Sie reiben sich die noch schläfrigen Augen und wollen wissen, ob ich gleich beim Zirkus Sarrasani ein Vorstellungsgespräch als Clown hätte …
Nur mein guter Kumpel Hans macht sich sichtlich Sorgen und meint, dieser Kündigungsstress der letzten Tage hätte meinem ohnehin labilen Charakter offensichtlich den Gnadenschuss verpasst.
Damit der Meister bei unserer täglichen Geschichtenstunde nicht sofort die Zwangsjacke für durchgedrehte Metallfacharbeiter aus dem Schrank holt, wenn er mich in meinem Arbeitsamt-Autfit sieht, wirke ich dem gleich entgegen.
»Hallo Herr Viehtreiber, wenn man schon spannende Krimis erzählt, dann muss man sich doch auch einen gepflegten Gängster-Luk zulegen, nicht wahr?«, begrüße ich ihn.
»Das ist kein Gängster-Luk, sondern Gastarbeiter-Luk«, klopft er sich brüllend auf die Schenkel, »und ab heute Nachmittag Gastarbeitslos-Luk! Übrigens, was hatte denndieser Anruf heute frühmorgens zu bedeuten? Meine Sekretärin sagte, du hättest ins Telefon gebrüllt: ›Ihr könnt mich alle am Arsch lecken, am meisten der Viehtreiber!‹«
»Waaaas? Spinnt die? Die Frau hat wahrscheinlich noch halb geschlafen und Albträume gehabt!«, lüge ich wie gedruckt und packe meinen Picknickkorb aus.
»Das glaube ich kaum! Sie ist seit dreißig Jahren eine sehr zuverlässige Mitarbeiterin!«
»Dann war’s sicherlich ein anderer Türke, der angerufen hat! Wir sehen doch mit unseren schwarzen Schnurrbärten alle gleich aus. Herr Viehtreiber, heute empfehle ich Ihnen die leckeren Linsenbällchen mit Petersilie und Minze und dazu Bulgursalat mit Paprikaschoten als Vorspeise. Als Hauptspeise Kichererbsen mit Pastırma. Pastırma ist türkischer Schinken und schmeckt wirklich köstlich. Meine Frau kam das ganze Wochenende über nicht aus der Küche raus, deshalb gibt es auch noch Lammkeule mit Joghurtkruste aus dem Ofen. Dazu passt vorzüglich dieser vollmundige Rotwein. Ich habe auch
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