1001 Nachtschichten
bestimmen, vielmehr muss der persönliche Geschmack jedes einzelnen Beamten genauestens getroffen werden.
Zu diesem Zweck habe ich gemeinsam mit meiner Frau ein Karteikartensystem aufgebaut, in dem alle wichtigen Ämter der Stadt, die Beamten und deren Vorlieben genauestens erfasst sind.
Vor Kurzem hat sie die ganzen Daten in tagelanger Kleinarbeit aus den Karteikästen in ihren Kompjuter übertragen. Zum Beispiel: A wie
Arbeitsamt
Abteilung »Vermittlung von Metallfacharbeitern«
Sachbearbeiter: Alois Fießling, 53 Jahre alt, wohnhaft: Kohlenstraße 13. Seit 33 Jahren »glücklich verheiratet«. Hasst Kinder und liebt Dackel. Kinderlos. Hobby: Hundezucht. Zigarettenmarke: HB. Getränk: Jägermeister.
Passende Kleidung: schwarze Jacke, marineblaue Hose, weißes Hemd, einfarbige Krawatte, braune Halbschuhe. Mag keine Westen und Hüte.
Leider ist Fießling vor zwei Jahren pensioniert worden.
Problematisch wird es, wenn ich zu Behörden muss, von denen wir noch keine Karteikarte haben. Denn meine Frau hat ganz andere Vorstellungen als ich, welche Kleidung passend wäre. Sie schleppte früher den Karteikasten zum Kleiderschrank, durchwühlte die Karten und rief triumphierend:
»Schau doch, in acht von zehn Fällen wird die schwarze Jacke bevorzugt.«
»Rein rechnerisch hast du recht, aber achte auf das Alter der Beamten, in der Regel sind sie über fünfundvierzig, und dieser junge Mann vom Finanzamt ist erst vorgestern einunddreißig geworden.«
»Nun ja, in dem Fall musst du die hellbraune Jacke mit drei Knöpfen anziehen.«
»Bei der Farbe hast du recht, aber ich denke, es sollten zwei Knöpfe sein.«
»Stimmt! Es müssen zweieinviertel Knöpfe sein. Aber da es einen Viertelknopf nicht gibt, müssen wir es wohl bei zwei Knöpfen belassen.«
»Mein Engel, du bist ein echtes Genie.«
In diesen Situationen fällt mir immer Nasrettin Hodca ein: Nasrettin Hodca ging zu einem Fest, aber man ließ ihn nicht hinein. Seine einfache Kleidung wurde dem feierlichen Anlass entsprechend als unwürdig betrachtet. Er lief nach Hause und kehrte zum Fest zurück, bekleidet mit einem wertvollen, dicken Pelzmantel. Zuvorkommend und ausgesprochen höflich bat man ihn zu Tisch. Nasrettin Hodca hängte einen Zipfel des Pelzmantels in die leckere Suppe und sprach laut: »Iss, mein Pelz, iss! All diese Freundlichkeiten sind nur für dich bestimmt.«
Aber zurück zur Klamotten- und Datensammlung.
Eminanim fasst die Ergebnisse ihrer Recherchen zusammen:
»Also, Osman, dieses Problem mit der Jacke ist gelöst:Herr Meisegeier mag hellrosa Jacken mit zwei Knöpfen. Aber was machen wir mit der Hose?«
Ihre Stimme klang fast resigniert.
»Gib mir mal den Taschenrechner, damit ich die Wurzel aus einunddreißig ziehen kann!«
Obwohl wir stets sehr systematisch an unsere Behördenbesuche herangehen, sind kleine Missgeschicke nicht immer zu verhindern.
Einmal hatte ich meine Papiere zu Hause vergessen, weil der Sachbearbeiter nur taschenlose Jacken bevorzugte, ein anderes Mal hatte der Beamte Besuch von seiner Schwiegermutter und war natürlich dementsprechend mies gelaunt.
Aber dass Montag nichts schiefgehen wird, ist hundertprozentig sicher – wenn nicht hundertelfprozentig! Denn schließlich ist Meisegeier heute Vater geworden …
Eminanims kleiner Küchen-Kompjuter behauptet das jedenfalls. Ob Mehmets großer kommunistischer Kompjuter auch dieser Meinung ist?
Um kein Risiko einzugehen, schleiche ich mich in Mehmets Zimmer und schalte seinen Rechner an.
Oh, ist das schön. Ich kann die ganzen Briefe lesen, die er von seinen chaotischen Freunden bekommen hat. Das gibt’s doch nicht! Er bekommt sogar Mäils von seinen alten Genossen Castro und Stalin – leben die denn noch? Auch die hübschesten Frauen aus der ganzen Welt haben ihm geschrieben – mit vielen anzüglichen Fotos!
Oh, verdammt, Mehmet ist wieder da! Weil mir nichts Besseres einfällt, tue ich so, als würde ich sein Zimmer inspizieren.
»Bei Allah, das ist ein Saustall hier!«, brülle ich.
»Mir gefällt’s«, sagt er, »lass meine Bude in Ruhe!«
»Im Fernsehen läuft gerade nichts Spannendes«, murmle ich.
»Rück lieber einen Zwanziger raus, ich bin blank«, ruft er.
Ich gebe ihm sofort den Schein, ohne ihm wie üblich eine Standpauke zu halten, dass es doch endlich an der Zeit wäre, sich eine anständige Arbeit zu suchen, und so weiter und so fort, damit er endlich wieder aus dem Haus verschwindet.
Er wundert sich ein bisschen über das zu
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