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1001 Nachtschichten

1001 Nachtschichten

Titel: 1001 Nachtschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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Geburt seines Kindes informiert. Er hat sogar sofort ein Foto von dem Kind hochgeladen. Es sieht genauso aus wie du, hat auch keine Haare. Ich bin mir ganz sicher: Am Montag klappt’s mit einem neuen Job für dich! Er wird jetzt eine Superlaune haben und dir einen spitzenmäßigen Job geben!«
    Ist doch klasse! Ein Hoch auf den rasanten technischen Fortschritt!
    Wir können nicht nur unseren Sachbearbeitern nachspionieren, sondern dank des Kompjuters habe ich nach vielen Jahren in Deutschland endlich auch sehr viele neue Freunde bekommen – im Fäysbuk, wo ich seit einiger Zeit ja ein vollwertiges Mitglied bin. Ich weiß zwar nicht so genau, wie meine neuen Freunde mit richtigem Namen heißen, wo sie wohnen, wie sie drauf sind und wie sie in Wirklichkeit aussehen – ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass sie genau wie ich ein dreißig Jahre altes Bild von sich ins Fäysbuk gestellt haben –, aber egal. Vielleicht kann ich mit denen zusammen dieses Jahr sogar Silvester feiern. Natürlich jeder für sich vor seinem eigenen Kompjuter, aber im Herzen vereint und dabei sehr gemütlich. Ich werde meinen blau-weiß gestreiften Schlafanzug anziehen, und rasieren brauche ich mich dann auch nicht –nicht mal duschen! Endlich hat die moderne Technik etwas Brauchbares für Männer wie mich hervorgebracht. Ich gehe nämlich überhaupt nicht gerne aus. »Elender, langweiliger Stubenhocker« nennt mich meine Frau.
    Dabei war ich doch bei unserer eigenen Hochzeitsfeier die ganze Zeit höchstpersönlich anwesend.
    Nicht so das Paar, das letztens in der Türkei geheiratet hat. Und in Amerika! Genauer gesagt, in der Türkei und gleichzeitig auch noch in Amerika. Weil der Bräutigam nicht in die Türkei kommen konnte oder wollte, hat die Braut mit den Hochzeitsgästen in der Türkei gefeiert und der Bräutigam mit seinen Gästen in Amerika. Und dabei haben sie sich gegenseitig über MSN, SKAIP, oder wie das Zeug sonst noch heißen mag, im Kompjuter beobachtet und dementsprechend während des Bauchtanzes mit den Hüften gewackelt, sich Küsschen gegeben und sehr romantisch in die Augen geblinzelt. Aber ob und wie sie das mit der Hochzeitsnacht hingekriegt haben, stand leider nicht in der Zeitung. Deshalb bin ich wiederum froh, dass es früher mit dem technischen Fortschritt doch nicht so weit her war. Wenn ich heutzutage ein Bräutigam wäre, würde ich das Recht der ersten Nacht doch nicht kampflos dem Kompjuter überlassen.
    Aber Kompjuter sind schon eine tolle Erfindung: Man braucht sich nicht nur nicht mehr zu duschen, wenn man mit Leuten reden oder feiern will, und kann nebenbei noch seinen Sachbearbeiter bei der Behörde beschatten, nein, man hat auch nach fünfundzwanzig Jahren endlich mal die Gelegenheit, die eigene Ehefrau richtig kennenzulernen und zu erfahren, was sie wirklich über einendenkt. Ihren Freunden bei Fäysbuk erzählt Eminanim nämlich alle zehn Minuten ihre intimsten und privatesten Geheimnisse. Mir verrät sie nicht mal, was es heute Abend zu essen gibt. Ich glaube, es gibt auch gar nichts zu essen, weil ich den sehr starken Verdacht hege, dass sie den ganzen Tag am Küchentisch vor ihrem kleinen Kompjuter gesessen hat. Ob sie mir per I-Mäil wenigstens Essen auf Rädern bestellt hat?
    Zu ihrer Verteidigung muss ich aber sagen, dass sie zwar heute aus dem Internet kein Rezept für ein leckeres Essen runtergeladen hat, aber dafür alles Wissenswerte über meinen Sachbearbeiter Meisegeier vom Arbeitsamt.
    »Osman, am besten ziehst du Montag das rote Hemd an und dazu die Krawatte mit den gelben Rosen«, ruft Eminanim und starrt weiterhin gebannt auf ihren kleinen Bildschirm. »Als Alternative kommt ein weißes Hemd, kombiniert mit einer blau gepunkteten Krawatte infrage«, grübelt sie weiter nachdenklich.
    »Das hatte ich voriges Mal schon an, Herr Meisegeier war überhaupt nicht begeistert davon – das hatte null Wirkung!«
    »Das ist doch keine Aspirin Direkt, die sofort wirkt! So eine Kleiderkombination muss man mehrere Male ausprobieren, bis man ihre Wirkung einschätzen kann. Außerdem hast du es doch noch nicht mal richtig bis zu seinem Schreibtisch geschafft.«
    Diese Art von Diskussion zwischen mir und meiner Frau findet regelmäßig statt, wenn ich eine Behörde aufsuchen muss.
    Schon kurz nach unserer Ankunft in Deutschland habenwir blitzschnell gelernt, dass deutsche Beamte mich besser behandeln, wenn ich »entsprechend« gekleidet bin. Aber »korrekte Kleidung« ist nicht eindeutig zu

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