Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1001 Nachtschichten

1001 Nachtschichten

Titel: 1001 Nachtschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
Vom Netzwerk:
Huhn mit Okraschoten mitgebracht, aber ich weiß nicht, ob Sie Okraschoten mögen. Sie können ja mal probieren, wenn Sie Lust haben. Und als Nachspeise kann ich Ihnen heute Kürbis mit Walnüssen und Mandelmilchdessert anbieten. Also ich wünsche Ihnen einen guten Appetit! Und während Sie essen, erzähle ich kurz, wie die Willkommensgeschichte weiterging …«
    »Osman, hast du das Schreiben mit der Post bekommen?«, fragt er mit vollem Mund, während er genüsslich an einem großen Stück Lammkeule kaut und mich mit dem Spruch auf der Stelle zu Tode erschreckt.
    »Was für ein Schreiben denn? Haben Sie meine Kündigung etwa mit der Post geschickt?«, stottere ich fassungslos.
    Meister Viehtreiber ist cleverer, als ich dachte. Diese Möglichkeit ist mir bisher nicht eingefallen. Ob ich den Postboten auch mit Geschichten einlullen kann?
    »Nein, deine Kündigung liegt noch hier. Die kriegst du gleich von mir persönlich. Was ich wissen will, ist, ob diese Rechnung für Schnellkochtopf, Heizlüfter und Stereoanlage über 1750,80 DM mit der Post kam, oder ob derjenige sie selbst in deinen Briefkasten gesteckt hat?«
    »Die kam mit der Post!«
    »Und wie hast du reagiert?«
    »Andere Länder, andere Sitten, habe ich mir gedacht. Erst schenken uns unsere deutschen Nachbarn teure Sachen, und dann schicken sie wohlformulierte Begleitschreiben, um zu zeigen, wie viel Geld sie für uns ausgegeben haben. Meine Frau Eminanim hat mir nicht erlaubt, denen im Gegenzug zu schreiben, dass allein der Teppich, den wir für sie gekauft haben, tausend Mark gekostet hat.«
    »Wie ist es denn ausgegangen, habt Ihr diese 1750,80 DM überwiesen?«
    »Nein.«
    »Tatsächlich nicht?«
    »Wir mussten anstatt 1750,80 DM genau 3563,45 DM überweisen. Bis wir nämlich die Sache kapiert hatten, war einiges an Mahngebühren und Rechtsanwaltkosten dazugekommen.«
    »Ich hätte dir gleich sagen können, dass dieser Gaunermit so vielen Geschenken auf keinen Fall ein Nachbar sein kann! In Deutschland beschenken sich die Nachbarn nicht, sondern stechen sich eher die Augen aus! Wenn du wüsstest, seit wie vielen Jahren ich gegen meinen gehirnamputierten Nachbarn prozessiere!«
    »Nein, Herr Viehtreiber, da muss ich Ihnen aber energisch widersprechen! Es gibt in Deutschland nicht nur als Nachbarn getarnte Betrüger, sondern auch hübsche Fräuleins namens Meierdierks. Nach dieser Pleite mit den Geschenken habe ich mir sofort vorgenommen, unser Imidsch aufzupolieren, um nie wieder in eine solch peinliche Situation zu geraten und gleichzeitig bei Fräulein Meierdierks großen Eindruck zu machen. Und mit einem unglaublich tollen Supertrick habe ich es ja auch geschafft, wie Sie sicherlich schon wissen …«
    »Was für ’n Supertrick denn? Dass du ein aufpoliertes Imidsch hast, davon weiß ich auch nichts. In Halle 4 hat es sich auf jeden Fall nicht rumgesprochen«, schmatzt er geräuschvoll.
    »Und wie ich es aufpoliert habe! Wenn Sie wüssten, wie ich es geschafft habe, würden Sie regelrecht platzen vor Lachen …«
    »Ist es wirklich so witzig?«, ruft er und wedelt mit meiner Kündigung. Noch deutlicher kann man mit dem Zaunpfahl nicht winken, dass ich eine lustige Geschichte erzählen soll. Ob durch das Winken mit dem Zaunpfahl eine Geschichte wirklich lustiger wird, weiß ich allerdings nicht.
    Aber durch das Winken mit der Kündigung muss sie es! Ich vertraue auf den schlechten Geschmack Viehtreibers,was Geschichten angeht, und auf das gute Essen Eminanims als Beilage und rufe laut:
    »Und wie witzig es ist, Chef! Und dazu auch noch sehr spannend und ganz schön melodramatisch!«
    »Mhmmhm, dann bin ich ja gespannt … erzähl schon … mhmöhmnnm …«

    »Lieber Herr Viehtreiber, es war einmal vor ungefähr vielen Jahren … In unserer Straße gab es einen Süleyman Effendi … Meister, Sie kennen doch sicher auch den Süleyman Effendi, nicht wahr?«, rufe ich und kichere krampfhaft laut, um ihn mit meinem Lachen anzustecken, so wie in diesen langweiligen Komedy-Sendungen im Fernsehen, wenn der Beitrag selbst kein müdes Lächeln erzeugen kann.
    »Nein, der einzige Effendi, den ich kenne, ist Kara Ben Nemsi Effendi«, sagt er.
    »Wie, den kennen Sie von mir? Ha ha ha haaaoooo …«
    »Nein, von Karl May!«
    »Ich meine, ist er auch aus dem Karnickelweg? Hii hiii hiiooo hooooo …«
    »Nein, aus dem wilden Kurdistan!«
    »Dann kann es nicht der Gleiche sein, den ich meine. Mein Süleyman Effendi stammt nämlich aus Istanbul und wohnte damals

Weitere Kostenlose Bücher