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1001 Nachtschichten

1001 Nachtschichten

Titel: 1001 Nachtschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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alle siebenundachtzig Osmans außerordentlich normale und friedliebende Menschen waren. Plötzlich drehte einer der Ossis doch durch und schlug wild um sich:
    ›Ich will nicht an den Galgen‹, heulte er.
    ›In Deutschland gibt es die Todesstrafe doch nicht mehr‹, versuchten wir ihn zu beruhigen.
    ›Was ist, wenn sie uns der Türkei übergeben?‹
    ›Die Türkei ist demokratisch‹, sagte jemand, ›da werden die Osmans nicht automatisch gehängt. Höchstens Ali Osmans – und das inoffiziell.‹
    ›Und was ist, wenn sie uns an Kambodscha übergeben?‹
    Da wurden plötzlich alle mucksmäuschenstill. Daran hatte wirklich niemand gedacht! Jeder kannte nämlich die Geschichte von Asylbewerbern, die mit Scheinpässen in irgendwelche Länder abgeschoben werden.
    Ein Osman machte diesem Osman den Vorwurf, dass er sich das hätte vorher überlegen müssen, bevor er sich den Namen Osman gab. Späte Reue nütze nichts!
    Ich verfluchte meine Eltern, dass sie mir unter tausend Namen ausgerechnet diesen fürchterlichen ausgesucht hatten.
    ›Versucht doch mal, die Sache positiv zu sehen‹, bemühte ich mich, die Ossis zu beruhigen. ›Im Knast gibt’s keine keifenden Ehefrauen, keine lästigen Kinder, keine anstrengende Arbeit, keine nervigen Schwiegermütter. Eine richtig tolle Männergesellschaft. Wir können die ganze Nacht über zocken, Tee trinken und tagsüber pennen.‹
    Ich sah, wie bei einigen Osmans die Augen anfingen zu glänzen. Aber diese Freude währte nicht lange. Die Ungewissheit trübte erneut die Stimmung.
    Danach schleppten die Polizisten einen Osman nach dem anderen einzeln zum Verhör.
    Nach knapp drei Stunden Wartezeit wurde ich endlich abgeholt.
    Ein Polizist drückte mich auf einen wackeligen Stuhl. Der Kommissar richtete eine grelle Lampe auf mich. Eine junge deutsche Dame saß gemeinsam mit einem Jungen in Hatices Alter in der Ecke und zuckte mit den Schultern.
    ›Ich bin mir nicht ganz sicher‹, flüsterte sie.
    Der Kommissar schien durch die stundenlangen nächtlichen Verhöre etwas genervt zu sein:
    ›Wie kann denn eine Frau nur vergessen, welcher Mann ihr das Kind gemacht hat‹, schimpfte er wie ein Rohrspatz.
    ›Aber es ist doch schon ein paar Jahre her‹, antwortete die Frau leise, ›außerdem sehen diese Türken mit ihren dicken schwarzen Schnurrbärten alle gleich aus. Ich weiß nur, dass er Osman hieß!‹
    ›Ich kann nicht der Vater von diesem Kind sein‹, schrie ich, ›ich habe diese Frau in meinem ganzen Leben noch nie gesehen!‹
    ›Das hat nichts zu sagen! Diese Frau hat den Mann dabei auch nicht gesehen‹, meinte der Kommissar schroff.
    ›Seit wann muss man sich denn dabei ins Gesicht sehen? So neugierig bin ich nicht‹, rief die Frau etwas pikiert.
    Durch diese überzeugenden Argumente fühle ich mich wie ein auf frischer Tat ertappter Bankräuber.
    ›Wir müssen jeder Spur nachgehen, lassen Sie die Hosen runter‹, befahl der Kommissar.
    ›Vor der fremden Dame hier?‹, stotterte ich schüchtern.
    ›Stellen Sie sich nicht so an! Das machen Sie doch nicht zum ersten Mal‹, keifte er böse. Wohl oder übel musste ich die Hosen runterlassen.
    Die Frau kontrollierte alles so gründlich und genau, dass der Kommissar vor Wut fast platzte:
    ›Mein Gott, wie lange dauert das denn noch? Wollen Sie Urologin werden? Wir wollen alle noch nach Hause!‹, brüllte er ganz schön sauer.
    Bei Allah, Herr Viehtreiber, ich muss auch sofort nach Hause! Schauen Sie doch, wie spät es schon geworden ist«, rufe ich genau in dem Moment, als er seinen Mund wie einen Lkw aus der Ukraine völlig überladen hat und nicht den Hauch einer Chance hat, etwas anderes rauszubekommen als:
    »Kmmhneh … köööööhih … möööhschn …«

    Das Arbeitsamt-Wellnesscenter ist heute eine einzige Enttäuschung!
    Vor dem Büro 143 von Herrn Meisegeier ist an Erholung überhaupt nicht zu denken.
    Es herrscht das blanke Chaos – die Türken sind da!
    Ständig werde ich von deutschen Bürgern mit Migrationshintergrund belästigt und gezwungen, irgendwelche Briefe zu übersetzen oder seitenlange Formularpapiere für sie auszufüllen.
    »Bruder, jetzt bist du seit fast hundert Jahren in diesemLand und kannst immer noch kein Deutsch«, mache ich meinem Ärger gegenüber einem Ruhestörer Luft, dessen Namen ich ein Dutzend Mal hintereinander, Buchstabe für Buchstabe, in winzige Kästchen hineinzwängen muss. »Und dass deine Eltern dir den Namen Abdulrahman Üstünköylüoğlu geben mussten, finde

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