1001 Nachtschichten
fünfundzwanzig Jahren mindestens fünfzig Damentaschen geschenkt – in jedem Jahr zwei, eine zum Geburtstag,die andere zu Neujahr –, sie hat ausnahmslos alle fünfzig Taschen jedes Mal sofort wieder umgetauscht.
»Das gibt’s doch nicht, alle Achtung«, staune ich.
»Ja, da siehst du es mal wieder. Sie lädt uns jedes Mal ein, im Gegensatz zu dir!«
»Das meine ich doch nicht. Ich finde es sehr bemerkenswert, dass deine Mutter nach hundertfünfzig Jahren immer noch auf den Tag genau weiß, wann sie damals geboren wurde!«
Mittwoch, 23. Juni
Am nächsten Tag zermartere ich mir während der ganzen Schicht nicht nur wegen meines Meisters den Kopf, sondern auch darüber, was man einer fünfundzwanzigjährigen Schwiegermutter schenken kann. Meine Schwiegermutter ist natürlich nicht fünfundzwanzigjährig – ich habe sie seit fünfundzwanzig Jahren am Hals und werde sie einfach nicht los!
Ich bin heute etwas durch den Wind. Drei Mal fiel mir eine genoppte Unterlegscheibe aus der Hand – wohlgemerkt: genoppt; und fünf der G-27er-Schrauben habe ich auch nicht festgezogen! Heute ist nicht mein Tag!
Meister Viehtreiber empfängt mich zu Schichtende mit den Worten:
»Mann, habe ich heute aber einen Kohldampf« und deckt den Mittagstisch in seinem Kontainerbüro von ganz alleine auf. Ich habe das ungute Gefühl, er freut sich viel mehr auf das Essen als auf meine spannenden Geschichten. Na ja, das war eigentlich auch der Sinn der Sache …
Als ich die ganzen leckeren Sachen sehe, die meine Frau wieder so toll zubereitet hat, aus Furcht, ich könnte in Zukunft den ganzen Tag zu Hause rumhängen und meckern, ärgere ich mich, dass ich mich damals nicht rechtzeitig zum Meisterlehrgang gemeldet habe.
»Osman, wenn die Russen was damit zu tun haben, dann bist du draußen«, sagt der Meister beiläufig.
»Ich kapiere das nicht! Vor ein paar Tagen wollten Sie mich wegen den Chinesen rauswerfen, jetzt wegen den Russen! Wer ist denn morgen dran, die Kanadier?«, stottere ich irritiert und werde blass wie der Knoblauchjoghurt.
»Ich meine doch die Sache mit der toten Frau. Wenn die russischen Menschenhändler was mit dieser Sache zu tun haben, dann bist du doch automatisch draußen.«
»Ich kenne keine russischen Menschenhändler, nicht mal türkische oder rumänische! Und wegen denen wollen Sie mich rausschmeißen?«, stammle ich immer noch total schockiert.
»Ganz helle bist du heute nicht! Also noch mal zum Mitschreiben: Wenn diese Verbrecher deine Inge Peters abgemurkst haben, dann bist du doch aus dem Schneider. Andererseits, wenn die Frau aus dieser Modellwohnung in Bremen mit der Absicht abgehauen sein sollte, für dich und deinen Kumpel in Schwerte anschaffen zu gehen, dann hast du bald neue und viel größere Probleme am Hals«, schmatzt er.
»Wieso das denn?«
»Wie willst du denn beweisen, dass du nicht mit deinem Kumpel Klaus zusammen als Zuhälter fungiert hast? Nach dem Mord ist er überstürzt in das Versteck geflüchtet, das du für ihn in der Türkei arrangiert hast, und du bist sofort aus Bremen nach Schwerte gefahren, um alle Spuren zu beseitigen! Für die Polizei ist das doch sonnenklar, wenn sogar ich draufkomme.«
»Ich als Zuhälter?«
»Klar, was hattest du denn sonst mitten in der Nacht in Schwerte zu suchen? Kommissar Lück verdächtigt dich mit Sicherheit nur aus diesem Grund!«
»Aber Chef, ich fahre doch nicht mit meiner eigenen Ehefrau zusammen in die Wohnung einer Prostituierten! Erst recht nicht, wenn sie für mich arbeitet!«
»Wieso nicht? Das machen viele. Ein flotter Dreier nach fünfundzwanzig Jahren Ehe tut sicher gut!«
Bei Allah, ich muss aus dieser bekloppten Modellwohnungs-Nummer irgendwie wieder rauskommen!
»Herr Viehtreiber, das Ganze stellte sich als totaler Fehlalarm heraus. Die Inge Peters hat in Bremen niemals als Prostituierte gearbeitet, sondern als Bürokraft bei der großen Möbelfirma in der Neustadt. Sie wohnte in der Wohnung mit der Hausnummer 45, die Modellwohnung hatte die Hausnummer 54. Das war ein kleines Missverständnis der Ermittler. Die gefassten Menschenhändler haben unglaublich viele Verbrechen auf dem Kerbholz, aber mit dem Mord an Inge Peters haben sie nichts zu tun, das steht fest. Kommissar Lück hat inzwischen Bremen verlassen. Der Außenminister und der Bayern-Trainer samt Mannschaft und Betreuer auch.«
»Du meinst, es hat sich alles erledigt? Warum rückst du damit nicht etwas früher raus?«
»Ähm … na ja …« – damit ich
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