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1001 Nachtschichten

1001 Nachtschichten

Titel: 1001 Nachtschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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Putzwasser pinkeln …«
    »Mein Herr, das mit dem Pinkeln war Ihre Idee«, mischt sich der Medizinmann ohne Feingefühl gegenüber einer Dame wieder ein, »ich habe nur gesagt, dass die türkischen Putzfrauen das dreckige Putzwasser in das Waschbecken für die Patienten kippen …«
    Eminanim knallt die Tür sehr wütend hinter sich zu.
    »Herr Doktor, wenn ich schon mal hier bin, dann können Sie doch wenigstens mal ein Auge auf meinen entzündeten Zwölffingerdarm werfen, oder?«, versuche ich dieser unglücklichen Auseinandersetzung doch noch etwas Positives abzugewinnen.
    »Mein Herr, ich weiß nicht, ob ich dafür richtig geeignet bin. Ich bin seit sechzehn Jahren der Hausmeister hier und bin für sämtliche Putzfrauen in unserem Ärztehaus zuständig. Ganz so viele Patienten habe ich noch nicht behandelt, jedenfalls nicht offiziell …«
    »Wie bitte? Das kann doch nicht wahr sein«, brülle ich schockiert und renne hinter meiner Frau her.
    »Hey, mein Herr, warten Sie doch! Wenn Sie unbedingt wollen, dann schaue ich mir Ihren Zwölffingerdarm trotzdem mal gerne an. Im Prinzip weiß ich genau, wie das geht. Wie gesagt, seit sechzehn Jahren bin ich hier im Haus tätig! Halt, warten Sie doch, lassen Sie mich wenigstens den kleinen Finger von den zwölfen angucken.«
    Ich zeige ihm nur den Mittelfinger von den fünfen …
    Ein Hausmeister kann sich doch nicht plötzlich Arzt nennen!
    Obwohl er damit eigentlich mit der Zeit geht. In Deutschland hat sich nämlich eine ganz neue Problembewältigungsvorgehensweise durchgesetzt. Man tauscht einfach ein paar Begriffe gegeneinander aus, und schwuppdiwupp verschwindet damit auch das eigentliche Problem! Eine wirklich geniale Methode!
    Diese grandiose neuartige Technik hat man selbstverständlich zuerst an Ausländern getestet. Es war ein sehrraffinierter Trick, das Wort »Ausländer« gegen die tolle, höchst moderne Bezeichnung »Deutscher Bürger mit Migrationshintergrund« auszutauschen. Seitdem gibt es in Deutschland überhaupt keine Probleme mehr mit Ausländern.
    Übrigens: Dieses wundervolle Wort »Problembewäl tigungsvorgehensweise « schenke ich hiermit offiziell und unentgeltlich der Jury, die jedes Jahr das »Unwort des Jahres« kürt.
    Und jetzt wollen sie Hartz IV abschaffen. Natürlich nicht den Herrn Peter Hartz, der das erfunden hat, und natürlich auch nicht die Probleme, die mit Hartz IV einhergehen, sondern nur diese blöde Bezeichnung. Ich habe selbstverständlich sofort einige besser passende Namen vorgeschlagen. Zum Beispiel »Die ganz ganz armen Schweine« oder »Die weder ein noch aus Wisser«. Aber die wurden leider nicht angenommen. Es soll sich etwas positiver anhören, sagte man mir. Hartz IV sei schon negativ genug.
    Daraufhin habe ich sofort neue Vorschläge eingereicht:
    »Geld verdirbt ohnehin den Charakter« oder »Unter der Brücke schläft sich’s eh besser« oder »Natürlich Abnehmen ohne Diät«.
    Diese neue Methode funktioniert wirklich! Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Erstens, wie gesagt, seitdem ich »Deutscher Bürger mit Migrationsvordergrund« … ähh, ich meine, »Deutscher Bürger mit Migrationshintergrund« bin, habe ich absolut keine Probleme mehr, außer dass ich morgen eventuell auf der Straße lande.

    Nach diesem Desaster mit der Arztpraxis tun wir zu Hause das, was wir seit Tagen tun: Eminanim kocht für meinen Meister, und ich suche für ihn passende Geschichten aus. Am liebsten natürlich Mordgeschichten.
    »Eminanim, was soll ich ihm denn morgen erzählen?«, frage ich verzweifelt.
    »Frage ich dich, was ich für ihn kochen soll?«, zischt sie immer noch total verärgert.
    »Hat der Kommissar Lück aus Schwerte wenigstens angerufen, sodass ich es zu einer großen Geschichte aufbauschen könnte?«
    »Nein, hat er nicht. Aber erzähl deinem Chef doch die Geschichte, wie du einmal von der Polizei mitten in der Nacht abgeholt wurdest.«
    »Meinst du?«
    »Da ist doch alles dabei. Polizei, Kommissar, Verhör …«
    »Aber kein Mord!«
    »Das brauchst du ihm ja nicht gleich auf die Nase zu binden.«
    »Gut, gut!«
    »Und, Ossi, vergiss nicht, nach der Arbeit das Geschenk für meine Mutter zu kaufen. Morgen gehen wir doch zu ihrem Geburtstag«, sagt meine Frau und stellt mich damit vor ein großes Dilemma.
    Nach fünfundzwanzig Jahren Ehe weiß ich immer noch nicht, was man seiner eigenen Ehefrau schenkt, wie soll ich denn da wissen, was man einer Schwiegermutter kauft? Ich habe meiner Frau Eminanim in den letzten

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