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1001 Nachtschichten

1001 Nachtschichten

Titel: 1001 Nachtschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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ich ausgesprochen hinterhältig.«
    »Da hast du recht, Bruder. Aber du musst auch meine Eltern verstehen«, erläuterte er mir auf Türkisch. »Ers tens konnten sie vor fünfzig Jahren nicht wissen, dass ich jemals unser Dorf verlassen würde, und wenn, gleich bis nach Deutschland kommen würde. Zweitens konnten sie nicht wissen, dass ich, wenn ich nach Deutschland komme, auch noch arbeitslos werde, und wenn ich arbeitslos werde, dass ich fürs Nichtstun auch noch Geld bekommen würde. Und dass ich zur Strafe unzählige Papiere ausfüllen und in diese winzigen Kästchen, die wie Fliegenscheiße aussehen, meinen stolzen Namen hineinzwängen muss! Das alles konnten meine Eltern doch gar nicht wissen, Bruder. Falls sie es aber doch gewusst hätten, weil die hässliche Hellseherin, die dürre Binnaz aus dem Nachbardorf, es ihnen prophezeit hätte, dann hätten sie mich mit Sicherheit nicht geboren. Aber falls ich doch hätte geboren werden sollen, weil der liebe Allah das so gewollt hätte, wie unser Dorf-Imam immer zu sagen pflegte, dann hätten sie mir garantiert einen kürzeren Namen gegeben, der für diese nervigen deutschen Formulare genau die richtige Länge gehabt hätte, und …«
    »Das reicht, das reicht«, stoppe ich ihn verärgert, »in dieser Zeit hätte ich deinen Namen fünfzig Mal hintereinanderin diese winzigen Kästchen schreiben können, die wie Fliegenscheiße aussehen!«
    »Bruder, wie du weißt, nicht das Schreiben von Namen ist unser momentanes Problem, sondern die viel zu wenigen Kästchen, die dafür vorgesehen sind. Wenn der große reiche deutsche Staat mit diesen läppischen Kästchen schon so unmöglich knausert, dann möchte ich gar nicht wissen, wie geizig er sich bei meinem Arbeitslosengeld anstellen wird«, ruft er und holt aus seiner Jackentasche die Bildzeitung.
    »Bruder, ich denke, du kannst kein Deutsch! Oder drucken sie die Bildzeitung inzwischen auch auf Türkisch?«, frage ich leicht genervt angesichts der vielen Formulare, die noch auf mich warten.
    »Ich kann auch kein Deutsch, Bruder. Aber ich muss doch wenigstens so tun, als ob ich mich integriere, oder? Und jetzt stör mich bitte nicht mehr! Die Nerverei meiner Alten zu Hause reicht mir völlig! Gönn mir doch die paar Stunden Erholung hier!«
    Er breitet seine Zeitung aus, macht es sich auf zwei Stühlen richtig gemütlich und steckt sich genussvoll eine selbst gedrehte Zigarette an.
    »Hier in der Behörde darf man aber nicht rauchen«, sehe ich mich gezwungen, ihn erneut zu kritisieren.
    »Ich verstehe ja kein Deutsch«, grinst er und qualmt schlimmer als der alte Schornstein von Halle 4!

    Frustriert mache ich mich ein paar Stunden später mit meinem Ford-Transit auf den Heimweg und werde schon nach wenigen Metern von einem völlig durchnässtenund aufgeregt winkenden Trämper energisch angehalten. Leider ist es keine von diesen hübschen, leicht bekleideten Trämperinnen, die in Filmen immer in fremde Autos klettern, sondern ein alter bärtiger Mann mit dickem Regenmantel. Es ist der Hodca unserer Moschee, der sich aus purer Verzweifelung vor meinen Wagen geworfen hat.
    »Halt, Osman, stopp! Nimm mich doch mit«, brüllt er.
    Ich hätte ihn trotz seines langen Bartes auch ohne diese selbstmörderische Aktion mitgenommen. Erstens, weil man bei diesem Monsunregen, der plötzlich eingesetzt hat, nicht mal einen Hund vor die Tür jagt, zweitens, weil ich ein sehr schlechtes Gewissen ihm gegenüber habe, da ich mich in den letzten Jahren nie in der Moschee habe blicken lassen.
    »Osman, gut, dass ich dich zufällig sehe, ich brauche sofort fünf Pornohefte«, bricht es aus ihm heraus, als er ins Auto steigt. Allein das Wasser, das von seinem Bart runterfließt, verursacht in meinem Wagen einen beachtlichen künstlichen See.
    »Hochverehrter Metin Hodca, nur weil ich in letzter Zeit nicht so oft in die Moschee gegangen bin, heißt das doch lange nicht, dass ich unter die Pornohändler gegangen bin«, rufe ich schon etwas eingeschnappt.
    »Ich weiß, ich weiß, obwohl du mir damit sehr schön aus der Patsche geholfen hättest! Ich brauche nämlich ganz schnell fünf Pornohefte«, lacht er.
    »Wenn Sie sich für heute mit nur einem begnügen könnten, dann würde ich versuchen, eins von Mehmets Pornoheften für Sie zu klauen«, schlage ich ihm vor.
    »Osman, was denkst du dir denn? Die sind doch nicht für mich!«
    »Öhm … Entschuldigung … Ich dachte, weil man Sie aus der Türkei hierhergeschickt hat und Sie in Bremen so

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