1009 - Kometen-Geister
nicht?
Carol Simmons wollte es nicht glauben. Eine Täuschung. Außerdem hörte sie jetzt nichts mehr. Der Schrei wiederholte sich nicht. Es war wohl nur Einbildung gewesen. Außerdem konnte sie sich keinen Grund für einen derartigen Schrei vorstellen. Sie lebten hier in einer Idylle, in einem Paradies.
Das hier war Urlaub und…
Oder hatte es mit dem Wald zu tun gehabt?
Es schossen der Frau zahlreiche Gedanken durch den Kopf. Carol fiel ein, daß sie sich schon zu lange von ihren eigenen Gedanken hatte ablenken lassen. Sie hätte längst aufstehen und nach Brian schauen müssen. Das wäre vernünftig gewesen.
Carol stand auf, aber sie stemmte sich dabei hoch. Ihr Herz schlug so verdammt schnell. Wie im Wald litt sie unter der Furcht.
»Brian?« Die eigene Stimme klang einfach zu leise, als daß ihr Sohn sie hätte hören können. Sie erhielt auch keine Antwort, das Herz klopfte wieder schneller.
Vor der Tür zur Dusche blieb sie so lange stehen, bis sie Atem geholt hatte.
Dann erst traute sie sich, die Tür zu öffnen.
Brian war da. Er hatte die Trennwand am Becken nicht völlig geschlossen. So stand sie zur Hälfte offen. Wasser war durch die Lücke gespritzt und sich auf dem Fliesenboden in Lachen gesammelt.
Aus der Duschtasse rieselte nichts mehr nach, denn der Junge hatte das Wasser abgestellt.
Frierend und zitternd stand er in der Duschwanne, den Blick auf das kleine Fenster gerichtet. Seine Mutter, die die Tür schloß, nahm er nicht zur Kenntnis. Brian atmete schwer, und sein Gesicht war rot angelaufen. Er schluckte, der Blick blieb dabei nach wie vor auf das Fenster gerichtet.
Carol Simmons atmete auf. Sie war froh, daß der Junge körperlich unversehrt war. Sie griff nach dem Badetuch, das an einem Haken hing. Erst als sie Brian anfaßte und ihm das Tuch über die Schultern hängte, schien der Junge wie aus einem tiefen Traum zu erwachen. Er drehte den Kopf, und auf seinem Gesicht malte sich erst jetzt die blanke Furcht mit, und die Frau schloß für einen Moment die Augen, auch weil sie das Gefühl der Erleichterung durchflutete.
»Jetzt ist ja alles okay, Brian. Du wirst - du brauchst dich nicht mehr zu fürchten.«
»Ich weiß es, Mum.«
Sie umschlang Brian mit beiden Armen und sorgte auch dafür, daß er das Duschbecken verließ.
»Was ist denn nur los mit dir?« flüsterte sie an seinem Ohr. »Was hast du nur?«
Er zitterte, bevor er sich gegen seine Mutter warf. »Angst, Mummy, ich habe Angst gehabt.«
»Vor wem?«
»Da war jemand.«
Erst wollte Carol lachen, dann aber riß sie sich zusammen. »Wer soll da gewesen sein?«
»Ich weiß es nicht. Aber am Fenster habe ich jemanden gesehen. Eine Gestalt.«
»Hat sie in die Dusche geschaut?«
Brian ging nicht auf die Frage ein. »Sie war so schrecklich«, flüsterte er. »So dunkel wie Erde. Als wäre sie aus dem Boden gekommen, und sie hat auch gestunken.«
»Nach Erde?«
»Nein. Nach Rauch oder Qualm. Wie im Wald, Mum. So hat sie wirklich gerochen.«
»Aber…«
»Nein! Sie war da.« Brian wollte nicht mehr von seiner Mutter gehalten werden und stieß sich ab.
Er ging zum Fenster und zerrte es auf. »Da draußen ist er hergegangen, und ich habe dann den Qualm gerochen.«
»Ein Feriengast«, sagte Carol lahm. »Du weißt doch selbst, daß wir hier nicht allein sind.«
Brian drehte sich um und schaute seine Mutter an. Unter seinem Blick schauderte sie zusammen.
Nie zuvor hatte Brian sie so angesehen. Sein kindliches Gesicht hatte bereits den Ausdruck eines Erwachsenen bekommen, der über bestimmte Dinge des Lebens informiert war. Es wirkte plötzlich so alt, als wüßte er über alle Geheimnisse der Welt Bescheid.
»Bitte, Brian, schau doch nicht so.«
»Er war hier. Er war hier am Fenster. Er hat in das Bad geschaut, das weiß ich genau. Er, ist so schrecklich böse gewesen. Er war ein Mensch, und er war es doch nicht. Ein Mensch und zugleich ein Monster, Mummy. Und er war so dunkel.«
»Du hast aber nicht gesehen, wohin er gegangen ist?«
»Nein.«
»Und er roch?« hakte Carol noch einmal nach.
Brian nickte.
Die Frau lächelte. Es wirkte verkrampft, weil der Mund dabei geschlossen blieb. »Gut, mein Junge, gut. Wir nehmen es hin. Ich streite nichts ab, ich glaube dir. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß du dir etwas eingebildet hast. Aber ich kann es mir nicht erklären, verstehst du das? Ich weiß nicht, wie so etwas möglich sein soll. Wir beide haben im Wald niemanden gesehen.«
»Sie hausen auch unter der
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