101 - Gangster in London
»Die junge Dame wohnt in einer abgelegenen Gegend in einem billigen Quartier und hat kein Telefon. Das halte ich für gefährlich, falls diese Leute glauben, noch wichtige Nachrichten aus ihr herausholen zu können. Deshalb wäre es mir lieb, wenn die junge Dame in einer besseren Gegend im Westen wohnte. Es ist schwierig, ihr diesen Vorschlag zu machen, da ich bereit bin, die Mietzahlung für diese Wohnung zu übernehmen. Sie ist ein hübsches Mädchen und wird über dieses Ansinnen natürlich empört sein. Denn ich will nicht nur ihre Miete zahlen, sondern ihr auch die Wohnung einrichten...« »Warum wollen Sie das tun?«
Tanner zuckte die Schultern. »Es ist eine verhältnismäßig geringe Ausgabe, und ich wäre dann beruhigt«, erwiderte er lächelnd. »Mit anderen Worten: Ich möchte nicht schuld daran sein, wenn ihr etwas passiert.«
»Ein sehr großzügiges Angebot! Ich verstehe Ihren Standpunkt vollkommen - obwohl Sie vielleicht eine Nebenabsicht damit verbinden, die Sie mir verschwiegen haben.«
»Nein, Sie irren sich! Ich habe keine Hintergedanken. Ich habe die junge Dame gern - damit ist nicht gesagt, daß ich sie etwa liebe oder näher mit ihr bekannt werden möchte. Sie gehört zu den seltenen Frauen, denen ich unter allen Umständen vertrauen würde, obwohl sie Ihnen gegen meinen Willen eine bestimmte Mitteilung gemacht hat. Aber da die Umstände so außergewöhnlich waren, kann ich das begreifen. Soweit als irgend möglich möchte ich sie vor neuen Zwischenfällen bewahren... Überreden Sie also bitte Miss Ranger, mein Anerbieten anzunehmen!«
»Aber ich habe doch keinen Einfluß auf sie!«
Wieder glitt ein flüchtiges Lächeln über Eddies Züge. »Meiner Meinung nach haben Sie einen größeren Einfluß auf sie, als Sie selber ahnen. Wollen Sie mir helfen, wenn meine Annahme stimmt?«
»Das muß ich mir erst überlegen.«
Als Leslie eine Viertelstunde später erschien, fand sie Eddie Tanner an ihrem Schreibtisch.
»Heute habe ich keine Arbeit für Sie«, sagte er vergnügt. »Und ich werfe Sie hiermit in aller Freundschaft hinaus!«
Sie sah ihn betroffen an. »Soll das heißen, daß Sie mich nicht mehr brauchen können?«
»Nein, es ist noch sehr viel zu tun. Aber ich mußte mich zu diesem Schritt entschließen, weil die Stellung bei mir für Sie zu gefährlich ist.« Er wiederholte nun alles, was er schon Terry gesagt hatte. »Chefinspektor Weston kam auf meine Bitte heute morgen hierher«, erklärte er offen. »Ich bat ihn, Ihnen die Lage in meinem Sinn klarzumachen.«
»Aber ich kann doch kein Geld von Ihnen annehmen für -«
»Ich weiß, was Sie sagen wollen. Das habe ich übrigens erwartet: Eine anständige junge Dame kann sich nicht gut eine möblierte Wohnung von einem Herrn einrichten lassen. Ich bin Ihnen jetzt sogar zu Dank verbunden, daß Sie nicht böse und ausfallend gegen mich werden. Doch das, was ich Ihnen gesagt habe, ändert sich dadurch in keiner Weise, Miss Ranger, und Sie würden mir eine große Sorge abnehmen, wenn Sie auf meinen Vorschlag eingingen. Ich schulde Ihnen fünfzigtausend Pfund... «
»Sie schulden mir fünfzigtausend Pfund?« wiederholte sie verblüfft. Sie hatte sein Versprechen vergessen.
Er nickte. »Im Augenblick bin ich nicht in der Lage, Ihnen die Summe zu geben. Es wird verhältnismäßig lange dauern, bis ich das Vermögen meines Onkels in die Hand bekomme.« »Mr. Tanner, Sie wissen genau, was Mr. Weston denkt, und ich fürchte, ich werde der gleichen Ansicht sein müssen. Sie haben das Testament irgendwie an sich gebracht und es nachher absichtlich in das Lexikon gelegt, damit ich es an der betreffenden Stelle finden sollte. Da Sie, meiner Meinung nach, das Testament vor mir gefunden haben, sind Sie von Ihrem Versprechen -«
»Nein, durchaus nicht!« unterbrach er sie. »Selbst wenn Westons phantastische Theorie zutreffen sollte. Jedenfalls bin ich aber der Testamentsvollstrecker meines Onkels. Er hat Ihnen tausend Pfund hinterlassen, die ich Ihnen baldigst auszahlen werde. Aber ich möchte Sie bitten, mich auch noch in der angedeuteten Weise für Sie sorgen zu lassen.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich hatte sogar die tausend Pfund vergessen«, erwiderte sie mit einem schwachen Lächeln. »Diese Summe bedeutet eine beachtliche Unterstützung für mich. Ich verspreche Ihnen auch, in eine andere Gegend zu ziehen, in der ich mich sicherer fühlen kann. Ich hatte beinahe selbst schon den Entschluß gefaßt. Aus dem Nachlaß meiner Mutter besitze
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