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101 - Schiffbrüchige des Universums

101 - Schiffbrüchige des Universums

Titel: 101 - Schiffbrüchige des Universums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Wald.
    Leonid Onopkos Herz zuckte ihm in der Kehle. Sein Verstand weigerte sich anzuerkennen, was er sah: einen Albtraum, eine Horrorvision! Viel zu lange stand er schon gefesselt am Baum, viel zu lange zerrte die Todesangst an seinen Nerven!
    Hinter ihm im Wald raschelte es. Gestalten in wehenden Mänteln – schwarz und rot – stürmten den Pass. Sie waren mit Lasergewehren bewaffnet. Leo stockte der Atem, er blinzelte, aber es blieb dabei: Lasergewehre der Russischen Bunkerliga!
    Die Fremden huschten zu den Panzern. Dabei beschossen sie die durch die Luft wirbelnden oder sich im Geröll wälzenden Gardisten. Die Gegenwehr war gering und die meisten Schüsse der Soldaten gingen ins Leere.
    Nicht weit von Leo Onopko sprang eine weitere Gestalt aus dem Wald. Sie sah anders aus als die meisten Angreifer: kleiner, dünner, mit eigenartigen Maserungen an Beinen und Rücken. In der Rechten trug sie Saskias blutenden Schädel, in der Linken eine lange Klinge. Leo konnte nicht anders, er musste sein Entsetzen heraus schreien.
    Die Gestalt drehte sich um – es war eine Frau. Die Gesichtszüge, die Körperformen, ja, eine halbwegs humanoide, weibliche Mutantin. Formlose Stümpfe ragten unterhalb ihrer Arme aus ihren Flanken. Sie belauerte ihn, machte einen Schritt auf ihn zu, und noch einen. Ließ Saskias Schädel fallen.
    Leo brüllte.
    Aus dem Chaos vor dem Pass löste sich ein Laserstrahl, streifte die Fremde an der Hüfte und zischte neben Leo in den Wald. Er hörte das Feuer hinter sich aus dem Unterholz fauchen. Die Frau aber stand wie erstarrt. Ihre Hüfte glühte, die Stümpfe unter den Armen schmolzen, die Glut an der Hüfte schien den gesamten Oberkörper zu erfassen. Und plötzlich verblassten die eigenartigen Maserungen auf ihrer Haut. Auch ihr Schädel verformte sich, verlor alles Menschliche. Winzig kleine, silbrig-weiße Schuppen glitzerten auf Stirn und Wangen und vor allem an der Stelle, wo sie getroffen worden war.
    Wie in Zeitlupe, als wären ihre Glieder Tonnen schwer, streifte sie den brennenden Mantel ab. An der glühenden Hüfte klaffte plötzlich ihr schuppiges Fleisch auseinander. Unter hohem Druck zischte ein Dampfstrahl aus dem Spalt. Hitze und Feuchtigkeit hüllten Leo ein. Er brüllte längst nicht mehr, hatte keinen Atem mehr.
    Der Dampf verflog, die Glut verblasste, die fremdartige Gestalt setzte sich in Bewegung. Der Spalt an ihrer Hüfte schloss sich. »Freut mich, sie… sie…«, hörte Leo Onopko einen Mann namens Leo Onopko stammeln. »Bitte… ich bitte Sie vielmals…«
    Die Gestalt ließ die blutige Klinge sinken. »Danke… bitte… Sie sind…« Leo war, als berühre ihn etwas an der Innenseite seiner Schädeldecke. Mit Tunnelblick fasste er die Silberschuppige ins Auge. Das Kämpfen, Schreien, Sterben um ihn herum registrierte er nur noch beiläufig.
    Die Gestalt streckte die Fingerglieder ihrer linken Klaue aus, formte sie zu einer Art Keil und stieß zu. Leos Herz zerplatzte. Kalte Abenddämmerung kroch in sein Hirn, in seinen Ohren keifte jemand: »Sie sind die längste Zeit Kommandant des Unternehmens Ostwall gewesen, Major Onopko!«, und dann brach die Nacht herein…
    ***
    Sie ließen ihn los, und eine unwiderstehliche Kraft saugte Smythe in den Tunnel hinein. Zunächst war alles schwarz, dann waberten schwarz-rote Nebel, dann am Ende des Tunnels ein warmes Licht: türkis, grün und weiß. Er tauchte ein, und Est'sil'bowaan nahm ihn wieder mit in jene Zeit vor dem Exodus.
    Es war, als würde er Räume von erhabener Stille betreten.
    Ganz Daa'mur beherrschte sie, diese Stille, jeden einzelnen Daa'muren, vom neugeborenen Leq bis hinauf zum greisesten Sol. Eine Stille, die vor heimlicher Erregung vibrierte; eine Stille, in der Trauer und Freude Frieden schlossen; eine Stille, wie sie nur der nahe Tod demjenigen schenkt, der ihn willkommen heißt. Sie ließ die Dampfschwaden über dem Lava-Ozean erstarren und malte weiße Gipfel auf die Gebirge des Südpols. Sie trieb die Foll'oors aus ihren Höhlen in den Berghängen hinab an die Lava-Küste und lockte die Seeswan-Herden aus den Tiefen der Glutsee, sodass sie leichte Beute der Jäger wurden.
    Smythe sah, wie die Oqualune aus den Städten gelöst wurden, einer nach dem anderen, und wie die Stadtscheiben langsam in den Tiefen des Ozeans versanken. Er sah Massen von Daa'muren Massen von ein Meter langen, tannenzapfenartigen Kristallen auf den Oqualunen ernten und an Bord ihrer Schweber verstauen. Er sah Millionen der Delfinartigen

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