1011 - Laurins Totenwelt
das aber bekam ich nicht so genau mit, denn die Umgebung verschwand. Ich wurde wieder zurückgezerrt, gedreht und zu Boden gewuchtet.
Nie hätte ich gedacht, daß die beiden abgehackten Hände jede für sich selbständig würde handeln können. Sie waren raffiniert, aber ich prallte diesmal nicht mit dem Gesicht auf, denn ich hatte meinen angewinkelten Arm schützend vor das Gesicht halten können.
Die Klaue hing noch immer in meinem Nacken. Sie hatte sich festgebissen. Ich spürte auch, wie sie zuckte, wie sie härter zudrückte, aber sie war nicht so groß, um auch meine Kehle umfassen zu können und mich zu erwürgen.
Der Schock war vorbei. Die Schmerzen im Gesicht nicht. Nur gehörte ich nicht zu den Menschen, die sich einfach ergeben oder scharf auf Niederlagen waren. Ich mußte mich wehren, denn ich wollte die verdammte Klaue wieder loswerden.
Mit einem heftigen Ruck stemmte ich mich auf die Knie. Es war gut, diese Haltung einzunehmen. Meinen linken Arm drehte ich um die Schulter, weil ich die Finger fassen wollte, um die Klaue von meinem Hals wegzudrehen.
Ich bekam Kontakt, aber ich rutschte ab. Die Hand griff nach. Sie wollte mich.
Ich faßte härter zu.
Die Klaue schüttelte sich, aber sie ließ nicht los. Sie hielt fest, als wäre sie mit Leim bestrichen. So klappte es nicht. Es mußte einen anderen Weg geben.
Mit der Kugel die Klaue treffen. Sie zerstören. Magie gegen Magie gesetzt. Das war die einzige Möglichkeit. Während mir diese Gedanken durch den Kopf huschten, hatte ich den rechten Arm angehoben und ihn auch angewinkelt. Die Mündung der Waffe wies nach links. Ich konnte nur hoffen, daß ich richtig zielte und mir nicht selbst in den Hals schoß, was nicht auszuschließen war, da meine Hand zitterte. Zweimal rutschte dabei das kalte Metall der Beretta an der schweißfeuchten Haut ab. Mein zitternder Finger hatte den Abzug gefunden, ich brauchte den Stecher nur nach hinten zu ziehen, dann…
Die Hand verschwand.
Auf einmal war sie weg, aber ich hatte zuvor noch einen Stoß abbekommen und kippte wieder dem Fenster entgegen. Gegen die Scheibe prallte ich nicht, da konnte ich mich noch fangen, aber ich schwankte schon und hatte meine rechte Hand glücklicherweise sofort gesenkt, damit ich mich nicht doch selbst erschoß.
Etwas unsicher stand ich auf. Aber man ließ mich, das war schon ein Vorteil.
Wohin war die Hand verschwunden? Ich sah sie nicht mehr. Sie hielt sich versteckt. Vielleicht war sie in eine Nische gehuscht, wo sie jetzt lauerte und auch die nächste günstige Gelegenheit wartete.
Nur wollte ich es nicht darauf ankommen lassen, denn hinter dem Fenster lag der verdammte Keller. Ich hatte einen kleinen Teil der Scheibe gesäubert, so gelang mir ein recht guter Blick in das Zwielicht des Raumes hinein, wo sich Jessica Malfi und die zweite Hand aufgehalten hatten.
Ja, hatten!
Jetzt waren sie weg. Verschwunden, abgetaucht, geflohen, wie auch immer, und ich hatte das Nachsehen.
Zurückgelassen hatten sie drei tote Katzen, die auf dem Boden in ihrem Blut lagen.
Ich trat vom Kellerfenster zurück, um mir die Umgebung anzuschauen. Es war noch immer still im Dorf. Die Schritte einer flüchtenden Person hätte ich hören müssen, aber niemand lief weg.
Hielt sich die Frau ohne Hände noch in diesem alten Haus auf?
Ich trat einige Schritte zurück, weil ich einen besseren Blickwinkel bekommen wollte.
Zu sehen war nichts.
Keine Bewegung hinter den Fensterscheiben. Eine ziemlich große Eingangstür lockte mich. Sie war aus Holz, das im Laufe der Zeit verwittert war und ebenfalls eine graue Farbe angenommen hatte.
Ich sah eine rostige Klinke, ein Schloß darunter, und eine ausgetretene Treppenstufe aus Stein führte zur Tür.
Ich probierte es.
Die Tür war zwar nicht verschlossen, aber ich mußte mich schon mit der Schulter dagegenstemmen, um sie zu öffnen. Ein feuchter Flur nahm mich auf. Auch hier roch es nach Staub. Der Flur teilte das Haus in zwei Hälften. Ich konnte in die rechte und in die linke gehen. Jeweils zwei Türen führten hinein, und zudem diente dieser Flur noch als Lager für zurechtgehacktes Holz.
Die Hand hatte ich im Keller gesehen, der zur linken Haushälfte gehörte. Mit dem Knie drückte ich die nächste Tür auf und gelangte in einen engen Durchgang.
Auch hier führten Türen zu verschiedenen Zimmern oder Wohnungen, aber ich suchte den Zugang zum Keller und entdeckte die karge Steintreppe sehr bald.
Sie führte ins Dunkel hinein und somit in die
Weitere Kostenlose Bücher