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1015 - Henkeraugen

1015 - Henkeraugen

Titel: 1015 - Henkeraugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Chesterton mußte einfach seine Freiheit zurückhaben, nur so wird es ihm möglich sein, seine Vergangenheit aufzuarbeiten und seinen Frieden zu finden.«
    Jane konnte über die Aussagen des Jungen einfach nur den Kopf schütteln.
    Daß ein Elfjähriger so redete, wollte ihr auch jetzt nicht in den Kopf. Aber sie wußte nicht, was der Junge alles hinter sich hatte.
    Die Leinwand interessierte sie. Jane wollte herausfinden, ob sie es mit einer normalen Leinwand zu tun hatte. Sie näherte sich langsam dem leeren Bild, Eugen blieb zurück und beobachtete sie.
    Janes Handfläche berührte die Leinwand. Sie fühlte die Strukturen. Es gab auch Widerstand. Ihre Hand verschwand nicht, denn die Leinwand war kein Zugang zu einer anderen Welt.
    Nein, hier war alles normal und trotzdem anders. Jane konnte sich das Phänomen nicht erklären. Auch als sie den Rahmen abtastete, fiel ihr nichts auf, das einen Verdacht in ihr hätte erregen können.
    Sie drehte sich wieder um.
    Eugen hatte sie die ganze Zeit über beobachtet, und auch jetzt schaute er sie an. »Was haben Sie denn gesucht, Miß Collins?«
    »Ach, eigentlich nichts Besonderes, wenn ich ehrlich sein soll. Ich habe nur etwas nachprüfen wollen.«
    »Kennen Sie sich denn aus?«
    »Irgendwo schon.«
    Eugen lächelte. »Das finde ich gut.«
    »Warum?«
    »Andere hätten Angst gehabt. Sie wären geflüchtet. Sie hätten geschrien. Nicht nur Frauen, sicherlich auch Männer.«
    Diesmal lächelte auch Jane. »Warum haben deine Eltern mich wohl engagiert?«
    »Jetzt weiß ich es. Sie haben keine Angst.«
    »Jeder hat Angst. Nur habe ich es gelernt, mich den Problemen zu stellen und nicht vor ihnen zu flüchten. Das ist vielleicht der Unterschied zwischen mir und anderen. Aber was soll’s. Das Bild gibt es nicht mehr, ich weiß nicht einmal, wie der Henker aussieht, aber ich kenne seine Augen. Die habe ich gesehen.«
    »Er ist bestimmt unterwegs, Miß Collins.«
    »Durchaus möglich. Aber wohin wird er gehen? Und was hat der Henker vor? Kannst du mir das sagen?«
    »Nein.«
    »Wenn er seinen Beruf auch weiterhin ausüben will, weißt du ja, was das zu bedeuten hat, nicht wahr?«
    »Er wird töten.«
    »Genau, Eugen. Ein Geist, der tötet oder wie immer man das auch sehen will. Das zu begreifen, ist natürlich schwer. Man wird es auch kaum jemand nahe bringen können. So weit möchte ich nicht gehen. Welchen Grund sollte er haben, Menschen in dieser Zeit zu töten, die ihm damals, als er noch wirklich aktiv gewesen ist, überhaupt nichts getan haben?«
    »Er hat bestimmt nichts vergessen.«
    »Und was, bitte schön, sollte er nicht vergessen haben, Eugen?«
    »Alles. Die Behandlung durch die Familie. Die Ächtung, einfach alles. Das glaube ich.«
    Jane schüttelte den Kopf. »Du redest wie jemand, der mehr weiß.«
    Als Antwort preßte Eugen die Lippen so hart zusammen, daß es Jane direkt auffiel. Er machte ihr auch klar, daß er nicht gewillt war, eine Erklärung abzugeben.
    »Irgendwann wirst du reden müssen, Junge. Auch über die Verbindung, die zwischen dir und Rodney Chesterton besteht. Davon bin ich überzeugt.«
    »Ich lasse mich nicht von Ihnen zwingen, Miß Collins!« erklärte Eugen patzig.
    Jane hob eine Hand. »So habe ich das auch nicht gemeint. Ich sprach nicht davon, daß ich dich zwingen werde. Es mag durchaus an den Umständen liegen, die dich dazu zwingen. So ist das.«
    Eugen überlegte. Er nagte an seiner Unterlippe. Dann flüsterte er:
    »Und Sie haben keine Angst, Miß Collins?«
    »Wovor?«
    »Daß er Sie töten könnte.«
    »Nein. Habe ich ihm einen Grund gegeben?«
    »Noch nicht«, erklärte der Junge.
    »Wie könnte dieser Grund denn aussehen?« erkundigte sich Jane.
    »Was sollte ihn dazu verleiten, mich töten zu wollen? Kannst du mir das sagen, Eugen?«
    Der Junge senkte den Kopf. Er wollte wohl nichts sagen. Aber Jane irrte sich. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er weitersprach, und diesmal flüsterte er: »Sie dürfen sich nicht so sicher sein, Miß Collins. Oder haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wo sich der Henker jetzt aufhalten könnte?«
    »Nicht direkt. Ich kann mir allerdings vorstellen, daß er das Haus hier verlassen hat.«
    Eugen kicherte hell. Jetzt benahm er sich wie ein normales Kind.
    »Sind Sie sicher?«
    »Nein, das nicht.«
    Der Junge winkte ab. »Sollen wir nicht gehen?« fragte er. »Hier ist nichts los.«
    »Ja, wir können ja auf ihn warten.«
    Eugen ging auf Jane Collins zu. Er hatte den Kopf etwas schief gelegt.

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