1016 - Der Narr aus Venedig
die gelben, kleinen Blumen wie Sterne abzeichneten.
Es war für sie schon gewöhnungsbedürftig, in diesem neuen Bett zu schlafen. Sie hatte das Gefühl, ihr Zimmer wäre verkleinert worden, aber das ging vorbei.
Irgendwann schlief sie in dieser ersten Nacht ein, und es war ein wunderbarer, herrlicher Schlaf, der sie erfrischte, denn am nächsten Morgen fühlte sie sich fit.
Das änderte sich auch in den folgenden Nächten nicht, bis die fünfte Nacht kam.
Vor dem Zubettgehen war Angela nervös gewesen. Etwas lag in der Luft, für das sie keinen Erklärung hatte. Sie schob es auf das Wetter, und es war wieder nach Mitternacht, als sie sich schlafen legte. Durch das offene Fenster drang zwar die Nachtluft, nur brachte sie kaum Kühlung, und mit dieser schwülen Luft drangen auch die bösen Vorahnungen in das Schlafzimmer der Frau.
Etwas war da, sie wußte es. Aber sie war nicht in der Lage, es zu definieren. Angela lag auf dem Rücken. Sie lauschte dabei ihren Atemzügen. Ihr Blick war wieder gegen den Baldachin gerichtet, über den die Luft hinwegstrich und der sich so gut wie nicht bewegte.
Auch von draußen drang kaum ein Geräusch in den Raum, das sie gestört hätte. In dieser Nacht hielt selbst die Natur den Atem an, als wollte sie den Weg für etwas Unheimliches und Böses freimachen.
War es schon da?
Hatte sich etwas in ihr Zimmer eingeschlichen, das man nicht sehen, höchstens fühlen konnte?
Sie wartete.
Und sie hörte etwas!
Ein Geräusch, das sie tief erschreckte, obwohl sie sich eigentlich nicht zu erschrecken brauchte, denn dieses leise Klingeln bedeutete keinen Streß oder keine Gefahr. Es war einfach da, und die Melodie wehte durch den Raum, erreichte ihre Ohren, wurde von ihr registriert und hätte sie eigentlich beruhigen sollen, denn der Klang irgendwelcher Schellen oder Glocken bedeutete sicherlich keine Gefahr.
Wenn nicht, warum bin ich dann so nervös? dachte Angela.
Innerlich nervös, denn nach außen hin fühlte sich Angela matt, völlig apathisch. Sie blieb auf dem Bett liegen, ohne sich zu rühren, und sie erinnerte dabei an eine Tote.
Dann spürte sie das Fremde.
Etwas glitt über ihr Gesicht hinweg. Unter dem Baldachin malte sich eine Gestalt ab. Wo sie zu sehen war, schien sich die Dunkelheit aufgelöst zu haben, um das hervorholen zu können, was sich bisher darin verborgen hatte.
Es war eine Gestalt. Kein großer Mensch, einer, der geduckt stand, der ein böses, etwas hölzern erscheinendes Gesicht besaß. Versehen mit einer sehr langen Nase und einem sehr breiten Mund.
Der ein dunkelblaues Gewand und eine Mütze trug, an deren Enden die kleinen Glocken hingen.
Und er war bewaffnet!
In der rechten Hand hielt er den Dolch mit der langen,, nach innen gebogenen Klinge. Die Waffe trug er sicherlich nicht grundlos. Er würde sie einsetzen wollen, er würde damit drohen. Der Anblick steigerte Angelas Furcht noch mehr und verstärkte gleichzeitig ihre Bewegungslosigkeit. So war es ihr nicht möglich, ihren Plan, einfach hochzuspringen und zu flüchten, in die Tat umzusetzen. Der Anblick des Clown bannte sie, aber er holte auch zugleich die Erinnerungen in ihr zurück.
Sie dachte an die Worte des Verkäufers, der von der schrecklichen Bluttat in diesem Bett gesprochen hatte.
Keine Legende. Wenn ja, dann war die Legende zurückgekehrt. Der Narr mit dem Buckel trat noch näher an die Bettseite heran, so daß er sie bereits berührte. Sein Mund zeigte ein breites Grinsen.
Die Augen waren dunkle Punkte ohne Ausdruck.
Dann sprach er.
Angela wußte nicht, ob er tatsächlich redete oder er ihr seine Gedanken hörbar in den Kopf schickte.
Sie war völlig genervt und starr vor Angst.
»Du bist eine schöne Frau. Schön wie Carlotta…«
Da war er wieder, dieser verdammte Name. Schön wie Carlotta. Aber sie wollte keine Carlotta sein.
Nicht um alles in der Welt hatte sie das vor. Denn wäre sie wie Carlotta gewesen, hätte sie auch deren Schicksal teilen müssen.
Nur das nicht.
Aber er war bewaffnet, und Angela kam sich so verflucht wehrlos vor. Sie mußte mit ansehen, wie der Narr seine linke freie Hand vorstreckte und damit über die Bettdecke strich, die nur die untere Hälfte von Angelas Körper bedeckte.
Sie trug ein sehr dünnes, fast durchsichtiges Nachthemd mit breitem Ausschnitt, an dessen Seiten die beiden Brustspitzen hervorschauten.
Der Narr beugte sich weiter vor.
Noch hatte er den Körper der schönen blonden Frau nicht berührt. Seine Hand glitt über die
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