1016 - Der Narr aus Venedig
Besitzer eine Weile. »So genau ist man nie dahintergekommen. Aber es gibt Gerüchte…«
»Bitte, ich will sie wissen.«
»Gern. Ich hätte sie Ihnen sowieso mitgeteilt. Die Gerüchte besagten, daß diese wilde Frau sich einem Liebhaber verweigert hat, der sie in der Nacht besuchte, heimlich durch ein Fenster einstieg, um mit ihr zu schlafen oder wilde Orgien zu feiern.«
»Ist er so schlimm gewesen?«
»Ja, das muß er wohl, denn die Frau - sie hieß übrigens Carlotta - ist nie sehr wählerisch gewesen.«
»Wer ist es denn gewesen?« drängte Angela Morinelli, die plötzlich immer nervöser geworden war und die Neugierde kaum noch im Zaum halten konnte.
»Man sprach von einem Narren.«
»Wie bitte?«
Der Verkäufer lachte. »Ja, von einem Hofnarren des Dogen. Damals hat es diese Spaßmacher ja gegeben. Sie traten auf, wenn die Herrschenden schlechte Laune bekommen hatten. Aber sie waren auch Intriganten, die die Menschen gegeneinander ausspielten. Das alles habe ich gehört, und dieser Narr muß zu den schlimmsten gehört haben. Er hieß übrigens Serafin.«
»Den wollte sie nicht?«
»Genau.«
»Aber er wollte sie.«
»Das stimmt.«
»Auch mit Gewalt?« fragte Angela.
Der Verkäufer nickte bedächtig. »Damit kommen wir zum Abschluß dieser Bett-Historie. Er ist blutig, denn Serafin wollte es nicht wahrhaben, daß man ihn abwies. Er geriet in Rage, er tötete Carlotta, aber auch ihn erwischte es. Es muß zu einem Kampf zwischen den beiden gekommen sein, der nicht lautlos ablief. Dann ist es passiert. Die Wächter drangen in das Zimmer ein. Sie fanden den Clown noch im Bett, das blutige Messer in der Hand, die tote Carlotta vor ihm. Die Sache war klar, und der Narr wurde getötet. Und zwar mit seinem eigenen Dolch. Also sind in diesem Bett, das Sie unbedingt haben kaufen wollen, zwei Menschen gestorben. Eine Hure und ein Narr. Wenn das keine Geschichte ist…«
Der Mann ließ seine Worte ausklingen und schaute zu, wie Angela Morinelli nickte. »Ja, da haben Sie recht. Es ist wirklich eine Geschichte, wie sie nur das Leben schreiben kann.« Sie schüttelte sich. »Aber ich werde das Bett trotzdem nehmen.«
»Natürlich. Sie haben es ja gekauft.«
Angela Morinelli besaß eine recht gute Menschenkenntnis. Es kam ihr so vor, als wollte man ihr etwas verschweigen, und sie sprach den Mann offen darauf an.
»Ist das wirklich die ganze Geschichte? Oder haben Sie noch etwas vergessen?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Reines Gefühl.«
»Gratuliere, dann hat Sie ihr Gefühl nicht getrogen. Es gibt da doch etwas, das ich Ihnen sagen sollte, meine Liebe. Dieser tote Narr war schon ein besonderer Mensch. Ich denke jetzt nicht an sein Äußeres und auch nicht an seine ruchbare Tat, nein, er hat kurz vor seinem Tod noch gesprochen und gelacht. Er hat gemeint, daß er nicht sterben könnte. Er sei zu mächtig, und er würde all denjenigen erscheinen, die dieses Bett benutzen.«
Angela hatte genau zugehört. Es gelang ihr leider nicht, die Gänsehaut zu unterdrücken. »Ist dieses Versprechen denn von ihm wahrgemacht worden?«
»Keine Ahnung. Ich habe das Bett vor etwa einem Jahr entdeckt, weil ein kleiner Palazzo abgerissen wurde, der wirklich zu baufällig geworden war.«
»So ist das.«
»Si, ich hätte Ihnen gern noch mehr erzählt, aber es ist nicht möglich.«
»Ich habe es trotzdem gekauft.«
»Und Blut werden Sie auch nicht mehr finden.« Er strich über das Laken hinweg. »Wissen Sie, die alten Geschichten vergißt man irgendwann. Sie verrinnen im Sand der Zeit. Aber es ist interessant, daß man sich noch an sie erinnert, finde ich.«
»Stimmt. Da könnten Sie recht haben.«
Angela war ein wenig durcheinander. Die Geschichte ging ihr nicht aus dem Kopf, und auch in den folgenden Tagen nicht, als sie Venedig längst verlassen hatte und wieder zurück in ihre Stadt gezogen war. Das Bett wurde knapp eine Woche später geliefert. Die Möbelpacker stellten es auf, und Angela war gespannt auf die erste Nacht, die sie in ihrem neuen Bett verbringen sollte. Einerseits gespannt, andererseits ängstlich.
Sie zögerte das Zubettgehen lange hinaus. Sie wartete bis Mitternacht, dann endlich legte sie sich in dieses wunderbar breite Himmelbett.
Schlafen konnte sie trotzdem nicht. Sie lag auf dem Rücken und schaute in die Höhe. Es war schon ungewohnt, keine Decke mehr über sich zu sehen, dafür den Baldachin, dessen schwerer Stoff leicht durchhing und in einem dunklen Himmelsblau schimmerte, auf dem sich
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