1016 - Der Narr aus Venedig
schon einmal gehört habe.«
»Dann hat er sich wieder auf Ihre Spur gesetzt und wird versuchen, das zu vollenden, was er damals nicht geschafft hat.«
»So sehe ich das auch. Aber ich will nicht sterben, John. Wie können wir uns schützen? Was können wir überhaupt tun? Ich weiß es nicht. Ich komme damit nicht mehr zurecht.«
Ich legte meine Hand auf ihre Hände. »Sie brauchen da wohl nichts zu tun, Angela.«
»Ha, das sagen Sie.«
»Ich meine es auch so. Ich bin hier, verstehen Sie. Ich werde mich den Problemen stellen.«
»Sie wollen ihn fangen? Einen Toten fangen?« Hastig sprach sie weiter. »Einen Menschen, der schon zweimal gestorben ist und trotzdem noch lebt, denn ich habe ihn ja auch getötet. Oder glauben Sie, daß er überleben konnte?«
»Nein, das denke ich nicht. So wie Sie mir den Fall geschildert haben, steckte die Klinge tief in seinem Körper. Aber auch durch den zweimaligen Mord haben sie ihn nicht aus Ihrem Leben vertreiben können. Er ist noch vorhanden.«
»Stimmt, denn ich habe ihn ja gehört.« Sie hob die Schultern. »Mittlerweile habe ich den Eindruck, daß man gegen ihn überhaupt nichts unternehmen kann.«
»Wenn man ihn mit normalen Waffen bekämpft.«
Mit dieser Antwort kam Angela nicht zurecht. »Was meinen Sie denn damit?«
»Normale Waffen sind Kugeln oder ein Messer, was weiß ich. Da wir es hier nicht mit einem normalen Menschen zu tun haben, müssen wir andere Wege beschreiten.«
»Welche denn?«
»Ich weiß es noch nicht. Für mich ist jedenfalls wichtig, daß ich ihm wieder gegenüberstehe. Und dann sehen wir weiter. Ich glaube, wir werden das Problem lösen.«
Angela schaute mich an und schüttelte dabei den Kopf. »Woher nehmen Sie nur Ihren Optimismus?«
»Ich habe so meine Erfahrungen im Laufe der Zeit sammeln können. Seien Sie ganz beruhigt.«
Angela blickte mich an. Dabei nickte sie. »Ja, das glaube ich mittlerweile auch. Ihr Freund Bill hat nicht viel über Sie erzählt, aber einiges schon. Es scheint zu stimmen, was er gesagt hat, denn Sie wirken nicht wie ein Mensch, der vor diesem Problem den Kopf in den Sand steckt.«
»Das hat auch keinen Sinn.«
Angela schaute auf die Tischplatte. Sie strich die nach vorn gefallenen Haare zurück und flüsterte so leise, daß ich sie kaum verstehen konnte. »Wissen Sie eigentlich, wovor ich mich am meisten fürchte, John?«
»Ich kann es mir denken.«
»Nein, das können Sie nicht. Das glaube ich nicht. Aber ich weiß es genau.«
»Dann sagen Sie es.«
Angela hob ihren Kopf wieder an und drückte beide Handflächen gegen die Wangen. »Ich fürchte mich am meisten davor, daß er zurückkommt, wenn ich nicht allein bin.«
»Das müssen Sie mir erklären.«
»Gern, John. Mein Restaurant läuft gut. Ich bin fast jeden Abend ausgebucht. Sie werden kaum eine Chance haben, einen Tisch ohne Vorbestellung zu bekommen. Das ist heute abend auch der Fall. Stellen Sie sich vor, daß er erscheint, wenn die Tische hier mit Gästen besetzt sind. Plötzlich taucht er auf. Er und sein verdammter Krummdolch. Und er wird keine Rücksicht kennen, das weiß ich. Er wird auch andere Menschen killen wollen oder sie zumindest in Angst und Schrecken versetzen. Das traue ich ihm zu. Er ist ein Mörder, ein Hundesohn, er ist…«
»Richtig, Angela, Sie haben völlig richtig gehandelt, und ich kann Sie gut verstehen.«
»Ja?« flüsterte sie. »Dann… dann lachen Sie mich wirklich nicht aus, John?«
»Nein, denn es könnte sein, daß Sie recht haben. Aber eines müssen sie mir trotzdem versprechen.«
»Alles, was Sie wollen.«
Ich lachte. »Nein, soweit sind wir beileibe nicht. Ich möchte ebenfalls einen kleinen Tisch bei Ihnen hier reserviert bekommen.«
»Aber das ist doch schon klar.«
»Wunderbar. Wo?«
»Ich hatte gedacht, daß Sie gern am Tisch der Conollys sitzen möchten, denn sie werden heute abend auch hier sein. Aber wenn Sie einen anderen Plan verfolgen…«
»Nein, nein, das ist schon gut«, gab ich zu. »Aber wir sollten auch an mehrere Möglichkeiten denken. Vielleicht ist es dann besser, wenn ich einen anderen Platz einnehme. Ist dieser Tisch hier auch reserviert?«
»Ja, das ist er. Ein junges Paar hat sich angemeldet. Sind auch Stammgäste. Machen Sie sich trotzdem keine Sorgen. Es gibt noch Plätze genug, und wenn ich sie Ihnen schaffe.«
»Gut, dann wären wir ja klar.«
Angela räusperte sich. »Darf ich fragen, was Sie jetzt vorhaben, John? Es ist noch Zeit bis achtzehn Uhr, dann öffne ich
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