1017 - Die Sonne Satans
ja nicht so offen, weil sie einfach aus dem Rahmen fällt.« Neben der Tür stand ein Gebilde, das durch ein Tuch verdeckt war. »Das hätten Sie nur anheben müssen, Ignatius.«
»Tun Sie es bitte für mich.«
»Gern.« Luna lächelte. Sie faßte das Tuch an einer Seite an. Ein leichter Ruck, dann zog sie es ab und schaute zu, wie es flatternd zu Boden fiel.
Ignatius aber starrte auf die Sonne Satans.
War sie das wirklich?
Er konnte es nicht sagen, aber er mußte es glauben. Es war natürlich keine normale Sonne, wie man sie vom Himmel her kannte. Diese hier war aus Eisen nachgebaut worden. Sie bildete den Mittelpunkt eines Quadrats, und sie war so hergestellt worden, wie sich kleine Kinder oft die Sonne vorstellten. Ein Kreis, aus dessen äußerem Rand kleine Flammenzungen schossen, die aussahen wie spitze Dolche. Bei Kindern hatte der Kreis zumeist noch ein Gesicht bekommen. Augen, Nase, Mund – das war hier nicht der Fall.
Er war einfach da, aber er war innen gefüllt und nicht leer. Verschiedene, dünne Metallfinger durchliefen ihn, so daß sie so etwas wie ein Spinnennetz bildeten.
»Ja, schauen Sie sich die Sonne ruhig genauer an, Ignatius. Treten Sie näher.«
»Natürlich«, erwiderte der Mönch mit belegt klingender Stimme.
Er wußte nicht so recht, wie er sich verhalten sollte. Alles, was hier geschah, war ihm suspekt. Er kam mit den Dingen nicht zurecht, und er merkte den Schweiß auf dem Rücken und im Gesicht, der sicherlich nicht nur von der Wärme stammte.
War es die echte?
Vorsichtig bewegte er sich auf das Gebilde zu. Dabei konzentrierte er sich auf den Mittelteil, durch den die feinen Drähte liefen. Beim ersten Hinschauen hatte er sie nur als ein Gebilde erkannt und als nichts sonst. Nun aber, wo er sich konzentrierte, da glaubte er, einen Gegenstand darin zu erkennen.
Er runzelte die Stirn.
War es ein Gesicht?
Der Mann brachte seinen Kopf noch näher an den Mittelpunkt heran – und schrak innerlich zusammen.
Ja, es war ein stilisiertes Gesicht. Ein böses Gesicht, ein teuflisches.
Vielleicht das Gesicht des Teufels, des Satans, der dieses Gebilde beherrschte.
Ignatius hatte sich bücken müssen, um in Kopfhöhe mit der Sonne Satans zu sein. Er versuchte auch, in diesem Gebilde eine Kraft zu entdecken, eine Magie unter Umständen, aber das war nicht möglich. Er hätte schon einen Test machen müssen.
Aber es gab sie, und das war wichtig.
Hinter ihm bewegte sich Luna Limetti. Er hörte es am leisen Klingeln der Ketten. Seine Fragen hatte er bereits formuliert, so wollte er wissen, wie Luna dazu gekommen war, dieses Gebilde zu bauen und ob es Vorbilder gegeben hatte.
Dazu kam er vorerst nicht mehr. Etwas kaltes und Hartes drückte sich in seinen Nacken, und Ignatius versteifte auf der Stelle und in seiner unnatürlichen Haltung. Er wußte, daß es sich nurum den Lauf einer Waffe handeln konnte, und er hörte dann die flüsternde Stimme der Designerin.
»So, Ignatius, jetzt raus mit der Sprache. Was wollen Sie wirklich von mir und Ben Torri…?«
***
Reingefallen, dachte der Mönch. Wieder einmal. Verdammt, was bin ich dumm gewesen! Ich habe mich von diesem verdammten Weib einwickeln lassen.
Der Druck blieb. Er konnte sich vorstellen, daß Luna Limetti den Finger am Abzug hatte, und deshalb hütete er sich davor, auch nur eine falsche Bewegung zu machen. Er blieb in dieser hockenden Haltung und hielt sogar den Atem an.
»Ich warte!«
»Tut mir leid, Luna, aber ich kann Ihnen nicht viel sagen, ich habe die Sonne gesucht, das ist alles.«
»Ja, und Sie haben sie gefunden.«
»Richtig.«
»Sind Sie jetzt zufrieden?«
»Wie kann man zufrieden sein, wenn man mit einer Waffe bedroht wird?«
»So habe ich das nicht gemeint, und das wissen Sie ganz genau, verdammt.«
»Ich wollte sie finden.«
»Klar. Und dann? Wie hat es dann bei Ihnen weitergehen sollen, Ignatius?«
»Ich hätte sie untersucht.«
»Oh.« Luna lachte. »Wie denn?«
»Auf meine Art.«
»Und die wäre?«
Ignatius schwieg. Aber die Wahrheit wollte er nicht verschweigen.
»Ben Torri ist übrigens tot«, sagte er.
Die Nachricht hatte die Frau getroffen. Zwar blieb die Mündung noch mit seinem Hals verbunden, aber er merkte schon, wie Luna zusammengezuckt war.
»Tot? Du lügst!«
»Nein, ich lüge nicht.«
»Dann sag mir, wie er starb.«
»Er stürzte in einen Schacht. Es war außerhalb der Stadt, an einer alten zerstörten Feste, bei der nur noch der Turm stand. Dort befindet sich der Schacht, in
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