102 - Die Gottesanbeterin
Zimmer aufsuchte.
Der Fahrer war sehr schweigsam.
Eisaku Yaschagai machte ab und zu eine Ansage über das Mikrophon. Er wirkte nervös und wischte sich oft den Schweiß ab, obwohl der Kleinbus klimatisiert war.
Dann hatte der Bus das abgelegene Seitental endlich erreicht und näherte sich auf einer schmalen, unbefestigten Straße einem japanischen Haus neben einem kleinen See. Neben dem Haus stand ein kleines Teehaus. Es war an einem Berghang gebaut und lag in einem so schönen Landschaftsgarten, daß die Touristen Rufe des Entzückens ausstießen.
Da gab es kleine Bonsaibäumchen bei Felssteinen, die Berge darstellen sollten, Miniaturteiche, blühende Azaleenbüsche und Blumen. Es war ein kleines Paradies, zu dem das japanische Holzhaus mit dem geschwungenen Giebel und den teilweise durchscheinenden Wänden genau paßte.
Die Touristen filmten, was das Zeug hielt. Jeder war mit mindestens einer Kamera ausgestattet. Eisaku Yaschagai wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er stieg mit seiner Gruppe aus, und der Fahrer fuhr mit dein Datsun-Bus weg.
„Hier werden wir übernachten", sagte Eisaku Yaschagai auf englisch.
Der Belgier übersetzte es für die beiden jungen Franzosen, die kein Englisch verstanden. Sie schauten einander verliebt in die Augen und nickten.
Eine zierliche Geisha trat aus dem Haus. Ihr Haar war im Pfirsichhälften-Stil aufgesteckt, ihr Gesicht von zarter Alabasterfarbe. Sie trug einen weißen Kimono mit einem Kirschblütenmuster, einem tiefen Nackendekollete und Zierkissen auf dem Rücken.
Lächelnd verbeugte sie sich vor den Touristen, ohne sich um die auf sie gerichteten Fotoapparate zu kümmern. Ihre Stimme war so hell und klar wie eine Glocke.
„Willkommen in meinem bescheidenen Haus, meine Gäste! Meine Gefährtinnen und ich werden euch den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen."
Zwei weitere Geishas kamen nun, mit dunkleren Kimonos und nicht so schön wie die erste Geisha. „Mein Name ist Yoko", sagte die erste. „Das sind Murasaki und Sei."
Sie hatte Englisch gesprochen.
Die Touristen wurden durch den Landschaftsgarten geführt, den sie gebührend bewunderten. Er war wirklich ein Wunderwerk, auch für japanische Begriffe.
Dann bekamen die Touristen ihre Zimmer zugewiesen. Die Geisha sah lächelnd darüber hinweg, daß Antje Keizerfeldt mit ihren Straßenschuhen ins Haus trampelte. Ralph Fiddler wollte gleich wissen, ob genug Scotch und Bier vorrätig waren.
Die Zimmer waren sehr sauber und mit fließendem Wasser versehen. Strohmatten - Tatami - lagen wie üblich auf dem Boden, und es gab Kissen - zum Sitzen. Ansonsten bestand die Einrichtung aus Einbauschrank, Tischen, auf denen Blumen standen, den üblichen Rollenbildern und je einem Bord und Kästchen an der Wand sowie noch einem niedrigen Tisch.
Die Holzwände waren dünn. Die Wand zum Korridor bestand aus auf Holzrahmen gespanntem Papier mit einer Papierschiebetür.
Antje Keizerfeldt lief sofort zum Fremdenführer und beschwerte sich.
„Was soll ich mit diesen Kissen? Ich brauche einen Sessel. Anders kann ich nicht sitzen, sonst schwellen meine Krampfadern an. Das habe ich Ihnen doch schon dreimal gesagt, Herr Yaschagai." Der Japaner verbeugte sich und versprach, Abhilfe zu schaffen.
Nachdem die Gäste ihre Zimmer gesehen hatten, rief Eisaku Yaschagai sie zur Teezeremonie im Teehaus zusammen. Die drei Geishas servierten den grünen Tee, Sake und nach Wunsch auch andere alkoholische Getränke. Dann musizierten sie mit der dreisaitigen Gitarre und mit Lauten, den Shamisen. Dazu sangen sie mit wohlklingenden Stimmen, tanzten und führten zu dritt eine kurze Ballade vor.
Der schmerbäuchige Belgier trank die vierte Flasche Bier innerhalb einer Stunde und verdrückte eine Träne im Augenwinkel.
Die Gäste saßen auf dem Boden auf weichen Kissen, aber bequem jetzt, nicht nach japanischer Art auf den Fersen hockend.
Ralph Fiddler überlegte, ob die schlanken, zierlichen Geishas wirklich so unnahbar waren.
Das französische Liebespaar schaute sich in die Augen.
Antje Keizerfeldt betrachtete ihre plumpen Beine mit den derben Tretern und die zierlichen Füßchen und Fesseln der Geishas und seufzte.
In den Pausen zwischen ihren Darbietungen plauderten die drei Geishas mit ihren Gästen. Sie stellten sich ganz auf die Touristen ein.
Die schöne Yoko lächelte über Ralph Fiddlers Redensarten, die immer eindeutiger wurden. Er begann sich zu fragen, ob er es nicht doch bei ihr probieren sollte. Zum Teufel, mehr als
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