1022 - Der Lockvogel
über Leben und Tod entscheiden, denn Kathrin Dill würde nicht aufgeben. Zeugen konnte dieser teuflische Lockvogel auf keinen Fall gebrauchen…
***
Im wirklich allerletzten Moment rutschte Jane noch das rechte Bein weg, aber dank ihrer Geschicklichkeit gelang es ihr, nicht zu fallen.
Sie mußte nur einige schnelle, kleine Schritte nach vorn gehen, um ihre Balance zu finden.
Dort aber lauerte der Vampir!
Obwohl Jane selbst unter einem ungeheueren Druck stand, nahm sie sich die Zeit, um den Blutsauger anzuschauen. Er sah schlimm aus. Beinahe ein Gerippe, das von stinkender und dreckiger Kleidung bedeckt war. Auch mit seinem Kopf war etwas geschehen, denn an der rechten Stirnseite war er aufgerissen und aus der Wunde war ein schleimiger, dunkler Schmier hervorgelaufen, der erst kurz vor dem Auge gestoppt hatte.
Er glotzte sie an.
Leere Augen. Ein Blick, in dem trotzdem die Gier stand, was Jane kaum begreifen konnte.
Hinter ihm sah sie zwei Männer, die schwankend zusammenstanden, aber noch keine Vampire waren. Um sie kümmerte sich der Blutsauger nicht mehr, denn er sah die Frau vor sich.
Das Blut der Frau…
Er riß sein Maul auf. Wahrscheinlich sollten die Geräusche, die er produzierte, ein Lachen oder ein akustisches Signal seines Triumphes sein. Wie auch immer. Er freute sich, und er war bereit, sich wieder auf ein Opfer zu stürzen.
Die verfluchten Fesseln hielten Janes Hände auf dem Rücken fest.
Sie war praktisch ohne sie und würde sich auch kaum wehren können, wenn der andere über sie kam.
Noch zögerte er.
Er forschte.
Er suchte.
Er gierte.
Dann ging er vor.
So schnell, daß selbst Jane überrascht wurde. Als hätte man ihm einen Stoß gegeben. Unwillkürlich wich sie zurück, was ihr aber keinen Vorteil brachte, denn der Vampir war schnell, sehr schnell.
Er sprang auf sie zu.
In diesem Augenblick wuchs Jane über sich selbst hinaus. Kampfarten wie Karate und Kung Fu gehörten zu ihrer Ausbildung. Zudem war sie so gut wie immer im Training, das konnte sie hier beweisen, als sie selbst in die Höhe sprang, sich dabei leicht auf die linke Seite legte und mit dem rechten Bein ausholte.
Der hoch angesetzte Tritt erwischte den Blutsauger im Gesicht.
Jane hatte für einen kurzen Moment den Eindruck, gegen ein Gebilde aus Knochen getreten zu haben und nicht vor ein Gesicht. Auch sie hörte wieder das Knirschen hinter der dünnen Haut, dann stürzte der Blutsauger zurück, prallte zu Boden, und auch Jane verlor diesmal den Stand, als diese Aktion beendet war.
Sie landete recht unsanft auf ihren Hinterteil. Biß die Zähne zusammen und blieb sitzen.
»Gut«, sagte einer der beiden Männer. »Das war toll!«
Der Vampir rollte sich herum, weil er aufstehen wollte. Noch war er nicht gefährlich. Jane sprach den Mann an. »Ich bin noch besser, wenn ich meine Fessel losgeworden bin. Kommen Sie her. Versuchen Sie, mir die Stricke zu lösen.«
Simpson wollte es tun. Er schlug dabei einen Bogen um den Untoten, der bereits wieder stand. Sein Gesicht sah in Höhe der Nase etwas eingedrückt aus, was ihm nichts ausmachte. Er war sogar noch schlimmer geworden, denn er bewegte sich verdammt schnell auf das neue Opfer zu. Glenn Simpson bekam nicht die Zeit, Janes Fesseln zu lösen. Er konnte sie nicht einmal auf die Füße ziehen, denn der Vampir war zu schnell. Er kam wie ein knochiges Untier, aber er ging nicht zu dicht an Jane Collins heran. Er stieß sich ab.
Glenn Simpson sah es. Er schrie auf, zog sich zurück und ließ Jane Collins auf dem Boden sitzen…
***
Kathrin Dill hatte den Flur betreten und sich der Eingangstür zugewandt, was normal war, denn sie wollte mich haben, und sie mußte davon ausgehen, daß ich mich draußen aufhielt.
Doch ich war hinter ihrem Rücken.
Besser konnte es nicht laufen. Allerdings war sie bewaffnet. Ich mußte entsprechend vorsichtig sein. Das war Kathrin auch, denn sie ging ziemlich langsam, als hätte sie schon eine Ahnung, daß etwas nicht stimmte.
Ich löste mich von der Wand.
Dann schlich ich ihr nach.
Ich blieb auf Distanz, zumindest in den ersten beiden Metern.
Dann ging ich schneller – und war dabei für einen Moment unvorsichtig. In der Stille war mein Auftreten für die Frau zu hören gewesen, die überhaupt nicht zögerte und sofort herumwirbelte, um ihre Waffe in Schußposition zu bringen.
Ich hatte damit gerechnet und reagierte entsprechend. Noch in der Bewegung erwischte ich sie. Mein Handkantenschlag gegen ihr rechtes Gelenk.
Trotzdem
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