1024 - Bestien aus Satans Garten
Atmosphäre hinzugeben. Blütenduft wehte über das Wasser hinweg. Die Zweige eines großen Farngewächses streiften uns wie streichelnde Finger, und das leise Plätschern wirkte ebenfalls beruhigend.
Jamie Baker hatte die Ruderstange wieder eingeholt und neben sich gelegt. Allmählich schwächte sich das Schaukeln ab, und die Wellen verliefen sich an den Rändern.
»Nun, was denken Sie, John?«
»Im Moment nichts. Ich genieße nur.«
»Das kann ich mir denken. Außerdem haben Sie Glück gehabt, das muß ich Ihnen sagen.«
»Wieso?«
»Nicht jeder Fremde wird auf diese Art und Weise empfangen. Wir möchten nämlich unsere Ruhe haben.«
»Das kann ich verstehen. Wer in einem derartigen Paradies lebt, will nicht gern gestört werden.«
Jamies Augen bekamen einen träumerischen Ausdruck. »Ja«, bestätigte sie. »Das hier ist ein Paradies. Aber anders als der Garten Eden. Hier gibt es noch viele Geheimnisse und Verstecke, die man erst nach und nach entdeckt. Da muß sich der Besucher schon Zeit nehmen. Selbst ich finde immer wieder etwas Neues in dieser Umgebung.«
»In der sich bestimmt nicht nur Menschen wohl fühlen«, fügte ich hinzu.
»Da haben Sie so recht, John.« Sie drehte sich etwas und deutete auf die grüne Oberfläche. »Schauen Sie sich den Teich an. Was sehen Sie? Ich sage es Ihnen. Sie sehen nichts. Es ist einfach zu dunkel. Man kann den Grund nicht erkennen. Aber trotzdem steckt er voller Geheimnisse und Rätsel. Ein Teich der Wunder. Für mich ist die Natur ebenfalls ein Wunder, aber in ihr verborgen existieren noch viele kleine Wunder, von denen die meisten Menschen nichts wissen.«
»Das haben Sie nett gesagt. Aber für mich sprechen Sie in Rätseln, Jamie.«
Sie hob die Schultern. »Glauben Sie an eine andere Welt? Oder nur an die, die Sie sehen?«
»Wie haben Sie das gemeint?«
»Ha. Ihre Frage beweist mir, John, daß Sie schon skeptisch sind. Ja, das sind Sie.«
»Nein, ich…«
Sie unterbrach mich. »Hier unten im Teich und nicht nur hier, sondern auch im gesamten Garten existieren die Wunder, die von einer mächtigen Kraft geleitet werden. Von einem Geist. Viele Dichter haben sich mit ihm befaßt, aber nie viel darüber herausgefunden oder die ganze Wahrheit erkennen können. Ich aber habe es herausgefunden, denn wir haben ihm hier ein Paradies erschaffen.«
»Dem Geist der Natur?«
»Gut gefolgert, John.«
»Und Sie kennen ihn?«
»Ja, ich kenne und mag ihn. Er steht auf meiner Seite. Wir haben ihn für uns einnehmen können, denn in diesem Garten kann er sich ausbreiten.«
»Geister sind nicht zu sehen, Jamie.«
»Aber zu spüren. Außerdem muß man sie glauben. Er versteckt sich«, flüsterte sie. »Im Wasser, in den Bäumen und auch im Erdboden. Er ist der Held des Gartens. Nicht wir. Meine Eltern und ich sind nur seine Helfer.«
»Hat er auch einen Namen«
»Vielleicht…«
»Sie wollen ihn nicht sagen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
Ihre Nasenflügel weiteten sich, als sie einamtete. »Nicht jeder ist würdig genug, die Geheimnis zu ergründen. Ich kenne Sie nicht. Sie sind plötzlich hergekommen und haben mir erzählt, daß Sie Gärten lieben.«
»Das stimmt«, sagte ich.
»Soll ich das glauben?«
Sie hob ihre schmalen Schultern an. »Ich spüre, daß Sie nicht der sind, für den Sie sich ausgegeben haben, John. Das hat mir meine innere Stimme gesagt.«
»Die sich auch mal irren kann.«
»Ja, aber nicht hier in der Umgebung. Hier sind meine Sinne gespannt. Ich kenne mich aus. Ich lebe in diesem Paradies. Doch das Paradies und die Hölle liegen oft genug dicht beisammen. Besonders für Menschen, die eine andere Denke haben. Davon gibt es viele. Auch in unserer Nähe, das weiß ich genau.«
»Ich nicht. Können Sie mir das erklären, Jamie?«
»Man mag uns nicht«, erklärte sie knapp.
»Wer denn?«
»Die Nachbarn.«
»Gibt es die?«
Jamie lächelte mich so an, als hätte sie meine Tarnung schon längst durchschaut. »Natürlich haben wir Nachbarn, John. Man sieht sie nur nicht. Sie leben weiter entfernt. Sie berühren unsere Insel nicht einmal mit den Blicken. Aber sie zeigen Interesse. Wir sind ihnen suspekt. Immer wieder versuchen sie etwas über uns herauszufinden. Sie schleichen sich an, sie trauen sich aber nicht, uns zu fragen, und so sind und, bleiben sie auf Vermutungen angewiesen.«
Ich wiegte den Kopf. »Das hört sich wirklich an, als hätten Sie etwas zu verbergen, Jamie.«
»Meinen Sie? Das stimmt nicht, John. Wir möchten nur unsere
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