1024 - Bestien aus Satans Garten
Pflanze stimmte auch nicht, denn es gab kein Maul, das mich hätte verschlucken können. Es war eher eine Würgepflanze. Sie würde mit ihren Armen zuerst meinen Körper und dann die Kehle umklammern, um mir dann mit aller Macht und Brutalität die Luft zu rauben. Ein furchtbares Ende, wenn ich erst einmal in diesen dichten Wirrwarr hineingeriet.
Ich wehrte mich.
Die Gartenkralle sollte mir wieder helfen. Ich hackte in die langen Blätter hinein und hatte dabei tatsächlich das Gefühl, dickes Fleisch zu erwischen, und die leicht gekrümmten Zinken der Gartenkralle verhakten sich darin.
Ich zerrte an ihr.
Sie riß auf.
Saft quoll aus den Schrammen wie Blut hervor. Trotzdem gab die fleischfressende Pflanze nicht auf.
Andere Arme schlugen nach mir, um meinen Kopf zu erwischen. Sie senkte sich über meinem Haar zusammen, aber ich schlug weiter und hatte auch noch die zweite Kralle aus dem Hosenbund ziehen können.
Klebriger Saft sickerte auch über meine feuchte Kleidung. Ich hackte weiter und hörte plötzlich ein leises Stöhnen und kurz danach eine Stimme in meinem Ohr, die leise und neutral klang.
Es war nicht herauszufinden, ob sie einer Frau oder einem Mann gehörte. »Warum verletzt du mich…?«
Ich verkniff mir die Antwort. Machte aber weiter und schlug die Krallen so gut wie möglich in die fettig schimmernden und breiten Blätter hinein.
»Du tust mir weh…«
Zwei neue Arme senkten sich über meinem Kopf herab. Wieder hackte ich zu.
Sie waren dünner, auch nicht so kräftig. Sie verloren ihr »Blut«, und die Stimme war wieder da.
»John, laß es!«
Mandragoro!
Ja, er hatte zu mir gesprochen. Sein Geist steckte in der verdammten Pflanze, die mich killen wollte.
Beinahe hätte ich über seine Bitte gelacht. Was stellte dieser Dämon sich vor? Sollte ich mich von ihm erwürgen lassen?
Das auf keinen Fall. Ich würde mich wehren bis zum letzten Atemzug, und es sah nicht einmal schlecht für mich aus, denn die Kraft der Pflanzenarme hatte nachgelassen. Ich hatte sie durch meine Schläge zu stark verletzt und auch eingerissen. Die ersten Ranken rutschten bereits schlapp an meinem Körper entlang nach unten, weitere griffen auch nicht an, und durch einen gezielten Hieb konnte ich mich auch von einem weiteren Fangarm befreien.
Ich kam frei.
Ich taumelte von der Treppe weg, drehte mich um und schaute zurück.
Die Pflanze hatte schwer gelitten. Sie würde kein Fleisch mehr fressen, das stand fest. Wie ein Mensch durch Verletzungen Blut verliert, so war auch aus ihr die Kraft hervorgeronnen. Das Zeug hatte sich auf dem Boden zu mehreren Lachen ausgebreitet und blieb dort als Schillernde Pfützen liegen.
Das hatte ich überstanden, aber die Stimme des Mandragoro hallte noch in meinem Kopf nach. Es konnte nur er sein, der sich gemeldet hatte, aber ich sah ihn nicht.
Er war sowieso ein Phänomen, denn er steckte in der Natur. Er manipulierte sie. Er ließ Bäume wachsen und wandern. Er veränderte, er brach auf, er spielte mit den Kräften und sein Geist hielt sich auch hier verborgen.
Ab und zu hatte ich ihn schon gesehen. Da hatte er immer wie eine Mischung aus Baum und Mensch ausgesehen, aber daran brauchte ich jetzt nicht zu denken.
Er würde sich nicht zeigen. Es reichte ihm, daß hier eine Welt geschaffen worden war, die ihm gefiel. Nun aber war ich in sie eingedrungen, und das konnte ihm nicht passen.
Ich war so weit zurückgetreten, um aus der Nähe der gefährlichen Pflanzen zu gelangen. Es mochte für einen Zuschauer lächerlich sein, aber ich versuchte es trotzdem und rief nach ihm.
»Mandragoro!« Meine Stimme zerstörte die mich umgebende Stille. »He, gib Antwort!«
Nichts. Nur die Pflanzenarme bewegten sich in meiner Nähe. Ansonsten blieb es still.
Wieder rief ich seinen Namen. Diesmal sogar lauter.
Jetzt bekam ich Antwort.
Aber nicht von ihm. Es meldete sich eine helle Frauenstimme vom Ende der Treppe her.
»Er wird dich nicht hören, John Sinclair. Oder nicht hören wollen.« Sie lachte. »Willkommen in meiner Welt…«
***
Ob ich ihr tatsächlich willkommen war, konnte ich mir nicht vorstellen.
Bestimmt nicht als Besucher, sie sah mich eher als Störenfried und Feind an, der erledigt werden mußte.
Ich ging nach rechts, um sie besser sehen zu können. Dabei blieb ich vor der Treppe stehen.
Sie genoß es, auf mich niedersehen zu können. Noch immer trug sie ihr helles Kleid, und sie sah für mich darin aus wie jemand, der im Totenhemd seinen Sarg verlassen
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