1025 - Ich töte jeden Sinclair!
her immer wieder mit ihrem Ableben konfrontiert werden.
Meine Namensvetterin gähnte und schaffte es kaum, die Hand vor den Mund zu halten.
»Müde?« fragte ich.
»Ja«, gab sie zu. »Es war eine ziemlich lange Reise.«
»Dann leg dich am besten ihn.«
»Jetzt schon? Und wo denn?«
»Ich zeige dir das Gästezimmer.«
Ihre Reisetasche stand noch im Flur. Ich nahm sie an mich und trug sie ihr nach oben.
Das Gästezimmer kannte ich sehr gut. Schließlich hatte ich bei meinen Besuchen hier in Lauder oft genug in dem Bett gelegen. Äußerlich hatte sich nichts im Raum verändert, dennoch kam er mir so kalt vor, als läge ein eisiger Todeshauch zwischen den Wänden. Unwillkürlich schauderte ich zusammen.
»Frierst du, John?«
»Ein wenig schon.«
»Kalt ist es hier nicht. Höchstens ein wenig muffig.« Karen ging zum Fenster und öffnete es. Sie wedelte mit den Arme, als wollte sie die frische Luft verteilen. Dann warf sie einen Blick auf das Bett. »Es sieht ja gemütlich aus.«
»Meinst du?«
»Ja.« Sie setzte sich darauf. »Nicht zu hart, nicht zu weich. Ich werde wohl gut schlafen können.«
»Aber schließe bitte das Fenster und laß die Tür auf.«
Karen lachte mich an. »Hast du Angst davor, daß man mich stehlen könnte?«
»Nicht gerade stehlen, aber man kann nie wissen. Das Haus steht ziemlich einsam.«
»Ja«, sagte sie und streichelte über die Fensterbank. »Das sagst du so. Tatsächlich aber steckt etwas ganz anderes dahinter, John. Ich spüre das sehr deutlich. Da kann mir niemand etwas vormachen, glaube ich. Das hier ist nicht alles so goldig und traut wie es ausschaut. Meine ich zumindest.«
Ich ging nicht auf ihre Bemerkung ein, sondern fragte: »Wirst du die Nacht über durchschlafen oder…?«
»Moment, Moment, du vergißt, daß ich noch Besuch bekomme. Wenn dieser Sinclair kommt, könnt ihr mich wecken. Schließlich will ich sehen, mit wem ich es zu tun habe. Der soll erst mal aus seinem Schatten heraustreten.«
»Versprochen.«
Sie kam auf mich zu und legte die Hände auf meine Schultern.
Dann küßte sie mich auf die Wangen. »Danke, John.«
»Wofür?«
»Für alles. Vor allen Dingen bin ich nicht mehr einsam. Dadurch ist auch meine Angst zurückgegangen.«
»Wovor hattest du dich gefürchtet?«
»Vor allem hier. Das ist mir sehr fremd.«
»Und doch bist du gekommen.«
Sie nickte. »Ja, das bin ich, und ich wundere mich dabei auch über mich selbst. Es muß wohl an der Neugierde gelegen haben.« Wieder mußte sie gähnen. »Bis später dann.«
Bevor Karen es vergaß, ging ich zum Fenster und schloß es. Jetzt erst war auch ich zufrieden, und ich wünschte mir, daß sie es auch nicht mehr öffnete.
Dann verließ ich das Gästezimmer und ging die Treppe hinunter zu Suko.
In der Küche fand ich ihn nicht mehr vor. Er hatte sich in das ehemalige Arbeitszimmer meines Vaters zurückgezogen und stand vor dem Schreibtisch. Als ich erschien, fragte er: »Ist Karen tatsächlich zu Bett gegangen?«
»Sicher.«
»Dann hat sie gute Nerven.«
»Das weiß ich nicht. Immerhin ist sie ahnungslos und weiß nicht wirklich, was auf sie zukommen kann. Sie ist nur gespannt und hat darum gebeten, daß wir sie wecken, wenn dieser geheimnisvolle Sinclair erscheint.«
»Glaubst du daran?«
»Ja.«
»Aber er weiß, daß sie nicht allein ist.«
»Stimmt ebenfalls. Ich habe ihn noch einmal gesehen, als ich hinter ihm herging. Er hockte auf einem Baumstumpf, hielt die Uhr in der Hand und schwenkte sie hin und her. Er wollte damit ein Zeichen setzen, daß meine Zeit ebenfalls abläuft.«
»In dieser Nacht?«
»Das ist möglich.«
»Gut.« Suko setzte sich wieder in Bewegung. »Dann werden wir auf ihn warten.«
»Wo?«
Ich verzog die Lippen. »Wo haben wir denn immer so gern gesessen, wenn wir hier zu Besuch waren?«
»In der Küche.«
»Eben. Da wird auch jetzt unser Platz sein. Ein Ort ohne Licht. Romantisch, denn wir können zuschauen, wie draußen allmählich die Sonne versinkt und die Schatten länger werden.«
Suko ging nicht auf meine Bemerkung ein. Er deutete zur Decke.
»Glaubst du denn, daß wir es tatsächlich wagen können, Karen allein zu lassen?«
»Sie wollte es so. Die Tür ist offengeblieben, das Fenster geschlossen. Karen befindet sich also in einer relativen Sicherheit. Außerdem werden wir hin und wieder nach ihr schauen.«
Das beruhigte Suko zumindest etwas. Er ging an mir vorbei, durch den Flur und dann auf die Haustür zu. Ich war ihm gefolgt. Das Licht zog
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