1025 - Planet der Spiele
als ihre Feinde zu betrachten, dann würde ein Bürgerkrieg von unvorstellbaren Ausmaßen das Herzogtum erschüttern.
Es war gewiß nicht anzunehmen, daß ausgerechnet dieser eine Junge, der mit wachsender Wut auf die Fortsetzung seines Unterrichts wartete, derjenige war, der eine solche Entwicklung in Gang brachte. Aber er war einer von vielen.
Scoutie schob das Argument, daß sie als Betschidin keinen Grund hatte, sich über solche Dinge Gedanken zu machen, als nicht stichhaltig beiseite. Sie mochte sich auch nicht hinter der Behauptung verschanzen, daß es unerheblich war, ob dieser einzelne Krane von seiner gefährlichen Überzeugung abgebracht wurde oder nicht. Erstens gehörte Chircool zum Herzogtum von Krandhor, und zweitens gehörte es zu den unumstößlichen Prinzipien der Jäger von Chircool, eine Gefahr da auszumerzen, wo man sie antraf.
„Was habe ich zu tun?" fragte Scoutie.
„Überlege es dir!" stieß Brether Faddon beschwörend hervor. „Lege dich nicht mit einem Kranen an, auch wenn er noch so jung ist!"
„Das mußt ausgerechnet du sagen!" murmelte Scoutie spöttisch. „Verrate mir deinen Trick, Cylam!"
Der Hüne lächelte, und plötzlich erkannte Scoutie in den fremdartigen Augen etwas, das sie bei einem Kranen nie zuvor gefunden hatte: Den Ausdruck ehrlicher, aufrichtiger Freundschaft.
„Du mußt ihn hier treffen", sagte Cylam und deutete auf einen Punkt knapp oberhalb seines linken Hüftknochens. „Es schaltet ihn blitzartig aus. Er wird keine Schmerzen dabei empfinden. Laß mich deine rechte Hand sehen."
Scoutie streckte die Hand aus.
„Sie hat genau die richtige Form und Größe", stellte der Krane fest. „Für uns ist das eine schwierige Technik, denn wir können nur zwei Finger dabei zum Einsatz bringen. Du mußt die Finger gestreckt halten und den Daumen nach unten abwinkein. So ist es gut. Nun versuche es - aber leg nicht deine ganze Kraft hinein, denn sonst erwischt es mich."
Scoutie sah ihn zweifelnd an. Cylam lachte auf seine wölfische Weise.
„Ich bin darauf vorbereitet", versicherte er.
„Der da drüben auch", knurrte Brether Faddon besorgt. „Er beobachtet uns."
„Das wird ihm nichts nützen", behauptete der Krane. „Er hält sich und seinen Körper für perfekt. Daß ich ihm überlegen hin, kann er zur Not noch einsehen, aber er würde es niemals für möglich halten, daß ein Artfremder ihn auf diese Weise treffen könnte."
Scoutie zögerte nicht länger. Sie ging auf Cylam zu und sah, wie dessen Muskeln sich spannten.
„Der Junge wird genauso reagieren!" warnte Brether.
„Und wenn schon!" flüsterte Scoutie und stieß den Kranen die Finger in die Seite.
Sie sah und spürte das Zucken, das durch den mächtigen Körper ging. Als sie den Kopf in den Nacken legte, erkannte sie in den Augen des Kranen den Ausdruck von Schmerz.
Aber Cylam fing sich sofort wieder.
„Das war sehr gut", sagte er leise.
„Du brauchst ihn gar nicht viel stärker zu treffen."
„Ich werde es mir merken", versicherte Scoutie ebenso leise.
„Du brauchst dich nicht lange mit Rujum aufzuhalten. Er wird sich sowieso gegen den Gedanken sträuben, daß er es gegen dich aufnehmen soll. Greif ihn an und bring ihn zu Boden, je schneller, desto besser. Aber paß auf dich auf. Sobald die Wut mit ihm durchgeht, wird er versuchen, dich zu töten."
Für einen Augenblick stieg Angst in der Betschidin auf, und sie fragte sich, wie sie dazu kam, diesen Wahnsinn mitzumachen.
„Dir wird nichts geschehen", versicherte Cylam. „Erstens werde ich rechtzeitig eingreifen und zweitens weiß Rujum nicht, wo du verwundbar bist."
„Weißt du es?"
Den Kranen schüttelte ein lautloses Lachen.
„Ich habe gelernt, mich auf alle möglichen Gegner einzustellen", sagte er.
„Bringen wir es hinter uns", murmelte sie und ging auf den Jungen zu.
Rujum kehrte ihr demonstrativ den Rücken zu. Als sie um ihn herumging, verschränkte er die Arme vor der Brust und blickte über sie hinweg. Sein arrogantes Benehmen hätte sie vermutlich in Zorn versetzt, wenn Cylam sie nicht so genau über den Jungen informiert hätte.
Scoutie blieb stehen, keine zwei Schritte von dem Kranen entfernt. Rujum behielt die Arme oben und rührte sich nicht. Der Betschidin kamen Zweifel an der Fairneß einer solchen Auseinandersetzung. Wäre der Junge ein Feind gewesen, wie sie ihr bereits begegnet waren, dann wäre sie ohne Zögern auf ihn losgegangen. So aber fühlte sie sich verpflichtet, wenigstens eine Warnung
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