1026 - Blutige Vergangenheit
daran, daß er nicht wußte, ob John noch lebte. Er hatte ihn als leblose Gestalt aus der Flammenhölle befreit und keine Zeit gefunden, sich darüber zu informieren, ob es John nicht endgültig erwischt hatte.
Er fuhr nicht hinunter nach Lauder, sondern einen kleinen Weg hoch, kaum mehr als ein Pfad, der dort endete, wo eine mit Gestrüpp umwucherte Lichtung einen kahlen Fleck bildete.
Dort konnte Suko den Wagen auch drehen und wieder zurück zum Haus schauen.
Das Feuer hatte Nahrung gefunden. Es war nicht mehr so deutlich zu sehen, weil das Haus von einem dunklen Ring aus Qualm umgeben war.
»Hier!« sagte Suko und drückte Karen sein Handy in die Hand.
»Rufen Sie die Feuerwehr an! Ich muß mich um John kümmern.«
»Ja, mach ich.«
Suko stieg aus. Sein Herz klopfte schon schneller, als er auf die Fondtür zuschritt und sie mit zitternden Fingern aufriß.
Schlaff lag sein Freund John Sinclair auf dem Sitz. Er konnte in das Gesicht schauen, sah das Blut und versuchte, diesen Anblick zu verdrängen und ihn nicht mit Johns Schicksal in Verbindung zu bringen, was einfacher gesagt, als getan war.
Er fühlte nach.
Schlagader, Puls- und Herzschlag!
Ja, es funktionierte.
Es war alles okay.
Das Zucken und Pulsieren war zwar schwach, aber er konnte es fühlen. Vorn sprach Karen mit hektischer Stimme in das Handy. Im Licht der Innenbeleuchtung kontrollierte Suko den Kopf seines Freundes und kam zu dem Resultat, daß John verdammt viel Glück gehabt hatte. Die Kugel hatte ihn nur gestreift und eine Rißwunde hinterlassen wie von der Kralle eines Tieres, vielleicht etwas tiefer.
Deshalb hatte auch das viele Blut hervortreten können.
Karen Sinclair drehte sich auf dem Beifahrersitz um. »Was ist denn? Lebt er noch?«
»Ja, er hat Glück gehabt! Nur ein Streifschuß.«
Für eine Sekunde saß Karen unbeweglich, als könnte sie die Nachricht nicht fassen. Dann faltete sie die Hände und fing leise an zu weinen, aber aus Erleichterung.
Suko nahm das Handy wieder an sich. Er bewegte sich vom BMW weg, weil er dorthin schauen wollte, wo das Haus brannte.
Niemand hatte das Feuer löschen können. Den Flammen war es zudem gelungen, sich auszubreiten. Inzwischen waren auch andere Fensterscheiben durch die Hitze und die Gewalt des Feuers zu Bruch gegangen. Aus diesen Löchern schlugen ebenfalls die Feuerarme hervor, als wollten sie den Nachthimmel aufreißen.
Nein, das Haus war nicht mehr zu retten, auch wenn die Feuerwehr eintreffen würde. Er hörte das Heulen der Sirenen noch nicht und sah auch keine Warnlichter im tiefer liegenden Ort aufblinken und durch die Finsternis strahlen.
Karen stieß ihre Tür auf, um den Wagen zu verlassen. Das gefiel Suko nicht. »Nicht, bleib drin, duck dich!«
»Warum?«
»Weil ich damit rechne, daß Sinclair noch in der Nähe ist und uns beobachtet.«
Sinclair! dachte Suko und schüttelte den Kopf. Verdammt noch mal. Ein Sinclair stand auf der Gegenseite. Ein brutaler Mörder, wie er es schon zweimal bewiesen hatte.
Beide Tote hatten auf den Namen Sinclair gehört. Etwa zur gleichen Zeit war das Grab des verstorbenen Ehepaars Sinclair geschändet worden. Der Schänder hatte eine Nachricht hinterlassen. Mit blutroter Farbe war geschrieben worden:
ICH TÖTE JEDEN SINCLAIR!
Der Tod der beiden Männer in London war für Suko und seinen Freund John Grund genug gewesen, nach Lauder zu fahren, wo John sich das geschändete Grab seiner Eltern hatte anschauen wollen.
Er hatte allein sein wollen. Suko war schon zum Haus der Verstorbenen gefahren und hatte dort eine Frau namens Karen Sinclair getroffen. Sie war durch den Anruf eines gewissen Sinclairs in das Haus gelockt worden. Dieser Mann hatte sie abholen wollen, um mit ihr zum Clantreffen der Sinclairs auf Sinclair Castle zu fahren. Dieses Treffen sollte am nächsten Tag beginnen. Suko und sein Freund John hatten beschlossen, daran teilzunehmen, denn die Warnung des Unbekannten war nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. [1]
ICH TÖTE JEDEN SINCLAIR!
Das hatte der Mann auch dem Geisterjäger versprochen, als beide auf dem Friedhof zusammengetroffen waren. Er war eine Person gewesen, mit der auch John nicht zurechtgekommen war. Feinstofflich und stofflich zugleich. Das hatte auch Karen erleben müssen, als sie im Gästezimmer des Hauses gewartet hatte.
Er war zu ihr gekommen. Ein Geist, ein unheimliches Etwas, und er hatte dabei seine kleine Taschenuhr pendeln lassen, um zu demonstrieren, wie sehr ihre Zeit ablief.
Noch lebten
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