1027 - Der Traum vom Schwarzen Tod
das nicht. Sollte zufällig eine Tür offen sein, könnte ich ja mal nachschauen. Aber du nicht!« fügte er noch schnell hinzu.
»Und was ist, wenn man dich erwischt?«
»Das darf eben nicht passieren.«
Kathy lachte leise. »Das sagst du so…«
»Bleib du jedenfalls hier. Versteck dich hinter dem Wagen. Ich sehe mich mal um.«
»Ja, wie du willst.«
Johnny küßte sie noch und kam sich dabei vor wie der Held in einem Kinostreifen, der von seiner Freundin zunächst einmal Abschied nimmt, um sich in den Kampf zu stürzen. Er mochte Kathy, aber er hatte sie nicht zum richtigen Zeitpunkt kennengelernt, und das ärgerte ihn. Bei allen anderen läuft es normal, nur nie bei uns, dachte Johnny. Da passiert immer was. Unsere Familie scheint dazu verflucht zu sein. Jedesmal kommt etwas dazwischen.
Er hatte die unmittelbare Nähe des Hauses erreicht und blieb dabei an der Seite stehen, so daß er das Haus »riechen« konnte. In der Tat strömte es einen alten oder fauligen Geruch ab. Die Mauern wirkten schief, die Fenster waren nicht unbedingt groß, aber dunkel, als hätten die Scheiben selbst die Dunkelheit von außen her eingefangen.
Licht sah er nicht.
Johnny schaute nur vorsichtig in das Haus hinein. Er konnte nicht einmal die Größe des Zimmers hinter dem Fenster feststellen. Das Innere lag in einer tiefen Finsternis begraben. Er überlegte, wo er weiter nachschauen sollte und entschied sich für den Eingangsbereich. Auf dem Weg dorthin mußte er an Kathy Tarling vorbei, die natürlich wissen wollte, ob er etwas gesehen hatte.
»Nein, habe ich nicht.«
»Echt? Kein Licht?«
»So ist es.«
»Und jetzt?«
»Ich weiß es noch nicht. Ich schaue mal vorne nach. Vielleicht ist es besser.«
»Aber du willst doch nicht hinein – oder?«
Auf diese Frage gab Johnny keine Antwort. Er wollte sie nicht belügen und zunächst einmal abwarten, wie sich die Dinge entwickelten. »Bleib du nur hier stehen.«
»Ja, das mache ich.«
Johnny bewunderte seine Freundin. Kathy blieb so ruhig, obwohl sie sich große Sorgen um ihre Eltern machte. Das wäre nicht bei jedem Menschen in ihrem Alter passiert.
Johnny dämpfte seine Schritte so gut wie möglich. Geräusche störten ihn, selbst das Rascheln des Grases oder das Knistern irgendwelcher Blätter unter seinen Schuhen.
Durch den Vorgarten führte nicht einmal ein Weg. Der Besucher schritt einfach nur auf dem Boden entlang und zertrat die wilden Gewächse. Vor der Tür gab es keine Treppe, und die Fenster an der Frontseite wirkten wie graue Löcher in der Wand.
Vor der Tür blieb Johnny stehen. Und wieder war das Haus zu riechen. Eine alte Ausstrahlung, muffig und an Spinnweben erinnernd.
Eine Haustür ohne Fenster, aber mit einer Klinke, die ebenfalls alt und beinahe schon brüchig aussah.
Es reizte den Jungen, das Haus zu betreten. Johnny hatte vorsichtig sein wollen, es wäre auch nur vernünftig gewesen, in diesem Fall aber hatte sich in seinem Innern einiges verändert. Auf einmal war der Drang da, in das Haus hineinzugehen, als befände sich hinter der Tür jemand, der ihn lockte.
Zwar vergaß er sein Kathy gegebenes Versprechen nicht, doch der andere Reiz verstärkte sich immer mehr. Das Haus lockte ihn. Er mußte es einfach betreten.
Johnny öffnete die Tür. Er hatte damit gerechnet, daß sie nicht verschlossen war. Wieder keine Überraschung. Mit der Schulter drückte er gegen das Holz.
Er hörte nur sehr leise Geräusche, als er sie nach innen schob und sich wenig später in den dunklen Schlund hineindrängte. Als Camper trug er die Taschenlampe bei sich, nur traute er sich nicht, sie aus dem Gürtel zu ziehen und einzuschalten.
Die Finsternis fraß ihn!
Das Erleben hatte der Junge nun mal. Es war eine besondere Dunkelheit. Völlig schwarz. Ohne Kontur. Nichts war dort auszumachen. Kein Gegenstand, kein Hindernis. Sie war einfach da, und sie gehörte hier zu den Beherrschern.
Keine Spur von Leben. Er hörte nichts. Das Haus war so verdammt still. Wie in einem riesigen Grab, in dem es weder Wände noch irgendwelche anderen Hindernisse gab.
Johnny atmete durch die Nase. Er versuchte dabei, etwas von der Atmosphäre des Hauses in sich aufzunehmen. Von seinem Geruch, von dem, was in ihm wohnte und ihn auszeichnete.
Da war etwas, aber da war trotzdem nichts!
Ein Widerspruch in sich, mit dem Johnny nicht zurechtkam. Es war auch nicht möglich, etwas zu erklären. Der Junge suchte nach einem Vergleich und fand ihn auch.
Etwas hauste hier…
Er konnte
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