103 - Das Geheimnis der Maske
zusammenschieben ließ und jetzt wie eine Pfeife aussah. Nochmals durchsuchte ich die Ruine, doch ich entdeckte kein weiteres Magnetfeld. Als ich den entsetzten Schrei einer Frau hörte, wandte ich mich nach links, sprang über einige Steine und gelangte zu einem halbeingestürzten Raum in der Nähe eines der Tore.
Ein Japaner lag auf dem Rücken. Vor ihm kniete eine junge Frau, hinter der zwei Buben ängstlich standen. Sie trugen Samuraihelme und -schwerter.
Der Japaner stöhnte und setzte sich auf.
„Kann ich Ihnen helfen, mein Herr?" fragte ich.
Mein Japanisch war akzentfrei.
„Es geht schon", flüsterte der Mann und stand schwankend auf.
„Die O-tuko-San hat Vater niedergeschlagen", sagte einer der Jungen.
„Wie war das?" fragte ich überrascht.
„Sie haben richtig gehört", sagte der Mann leise. „Meine Söhne führten mich hierher. Sie berichteten mir, daß sie in dieser Höhle eine O-tuko-San gesehen hätten. Ich war skeptisch, doch sie hatten sich nicht getäuscht. Ich versuchte, die Puppe aus der Höhle zu ziehen. Sie schlug mir auf die Hand und stieß mich zur Seite. Ich folgte ihr, da schlug sie mich nieder."
„Sie haben sich nicht getäuscht? Es war tatsächlich eine O-tuko-San?"
„Wir alle haben sie gesehen."
„In welcher Richtung verschwand sie?"
„Nach rechts. Sie lief auf diesen Gang zu."
„Danke", sagte ich. „Noch eine Frage: Wie heißt diese Ruine?"
Der Mann blickte mich verwundert an. „Das ist das Sanbonmatsu-Schloß."
„Danke. Und wie heißt der Ort unterhalb des Berges?"
Ich sah ihm deutlich an, wie verblüfft er über meine Frage war. „Tsuwano", sagte er.
„Herzlichen Dank", sagte ich und winkte ihm zu.
Rasch trat ich in den Gang, in dem die Puppe verschwunden war. Ich fragte einige Leute, ob sie eine Puppe gesehen hätten, erntete aber nur verwunderte Blicke.
Die Puppe war verschwunden. Sie hatte sich die ganze Nacht über hier versteckt gehabt. Möglicherweise würde sie sich jetzt den ganzen Tag über irgendwo anders verbergen und erst gegen Abend zur Ruine zurückkommen.
Im Augenblick war eine weitere Suche sinnlos. Ich beschloß, nach Tsuwano zu gehen und ein Quartier zu suchen. Dann wollte ich mich mit Unga in Verbindung setzen. Mich interessierte, ob er eine Spur des Schwarzen Samurai gefunden hatte.
Während ich ins Tal stieg, dachte ich nach. Irgendwann mußte ich in der Maske Richard Steiners nach Basajaun springen. Zu Abi Flindt und Yoshi hatte ich gesagt, daß ich Japan verlassen würde. Doch im Augenblick hatte ich keine Zeit dafür; vorläufig mußte ich weiter in Japan bleiben.
Eine halbe Stunde später erreichte ich den Ort. Er war klein und hatte etwa achttausend Einwohner. Die malerischen Häuser waren mit den traditionellen roten oder braunen Dachziegeln gedeckt. Tsuwano war eine alte Schloßstadt. Die Ortschaft war voll mit Touristen. Der Verkehr war schwach. Autos waren kaum zu sehen. Die meisten Einheimischen fuhren mit Fahrrädern. Überall sah man Bewässerungsgräben, in denen farbenprächtige Karpfen schwammen.
Ich quartierte mich in einem einfachen Hotel in der Nähe des Stadtzentrums ein, unweit der Ohashi- Brükke. In meinem Zimmer versuchte ich, mich mit Unga in Verbindung zu setzen.
Im Abteil des Schnellzuges nach Osaka war es ruhig. Nur das Rattern der Räder war zu hören.
Abi Flindt, der blondhaarige Däne, blickte Unga mißmutig an. Für ihn war Unga ein Diener Hermes Trismegistos'. Er wußte nicht, ob er dem Steinzeitmenschen trauen durfte; über die wahren Hintergründe war Abi nicht orientiert. Auch Hideyoshi Hojo, der von allen Yoshi genannt wurde, war nicht eingeweiht. Wie Abi Flindt glaubte er, daß Dorian Hunter tot war.
Unga hatte seine Samuraikleider abgelegt und trug jetzt wieder europäische Kleidung.
Neben Unga saß Coco, die gedankenverloren aus dem Fenster blickte. Unga hatte ihr von den letzter Ereignissen berichtet.
Dem Steinzeitmenschen war es gelungen, dem Schwarzen Samurai zu folgen, der in einem kleinen alten Haus verschwunden war. Er hatte Abi Flindt ausgeschickt, der mit Coco und Yoshi zurückgekommen war.
Sie hatten die ganze Nacht gewartet, dann war ein Wagen vorgefahren, aus dem vier Männer gestiegen waren, die einen Sarg getragen hatten. Zehn Minuten später hatten sie mit dem Sarg das Haus verlassen.
Coco und Unga hatten festgestellt, daß sich im Sarg der Schwarze Samurai befand. Sie waren dem Wagen gefolgt, der nach Atami gefahren war. Vor dem Bahnhof war der Wagen stehengeblieben,
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