1031 - Donnas zweites Leben
Eindruck hatte, weit vor uns Licht gesehen zu haben. Nur für einen Moment. Als hätte jemand eine Lampe eingeschaltet und dann wieder gelöscht.«
»Das verstehe ich auch nicht.«
»Egal, wir müssen weiter.«
Im Licht der Taschenlampe schaute ich nach der Decke. Sie lag relativ hoch über unseren Köpfen, und so brauchten wir uns nicht unbedingt geduckt weiterzubewegen.
Donna Preston hielt sich hinter mir. Den Zugang hatte sie nicht geschlossen. Er blieb wie ein viereckiges Fenster hinter uns, dessen Helligkeit sich allmählich verlor je weiter wir gingen.
Wohin dieser Stollen führte und wo er schließlich endete, konnten wir nicht sagen. Zumindest war er glatt. Das galt sowohl für die Decke als auch für die Wände. Man hatte ihn irgendwann gebaut, und ich konnte mir vorstellen, daß er als Lager genutzt wurde.
Das Licht der Taschenlampe geisterte als heller Arm durch die Dunkelheit. Ich hatte das andere Licht nicht vergessen und wartete darauf, es wieder aufblitzen zu sehen.
Der Gefallen wurde uns leider nicht getan. Nur der Strahl unserer Lampe zerriß die Dunkelheit.
Die Kollegin hielt sich dicht hinter mir. Manchmal berührte sie auch mit der Hand meinen Rücken, als wollte sie nachprüfen, ob ich auch noch vorhanden war.
Je weiter wir gingen, um so schlechter wurde die Luft. Da durften wir uns über die draußen am Fluß nicht beschweren. Hier bereitete uns das Atmen wirklich Mühe, wobei die Luft allerdings noch von anderen Gerüchen durchzogen war.
Wenn ich mich nicht sehr irrte, dann wehte mir der Geruch von kaltem Rauch entgegen. Als wären rasch irgendwelche Kerzen ausgeblasen worden, um etwas zu verbergen.
Ich hielt nach einer Weile an und drehte mich Donna Preston zu.
Der Eingang war mittlerweile weit hinter uns zurückgeblieben und kaum noch zu erkennen.
Donna schüttelte leicht den Kopf. »Was ist? Warum gehen wir nicht weiter?«
»Ich rieche etwas. Einen anderen Geruch. Ist Ihnen der nicht auch aufgefallen?«
Sie räusperte sich. »Aufgefallen? Was?«
»Nun ja, so genau kann ich ihn nicht definieren. Mir kam es vor, als hätte es hier nach kaltem Kerzenrauch gerochen. Ich kann mich auch geirrt haben.«
Sie schnupperte. Dann hob sie die Schultern. »Nein, ich rieche nichts. Aber das hat nicht viel zu sagen, denn ich bin in der letzten Woche erkältet gewesen.«
»Das ist natürlich etwas anderes. Wie war das in Ihren Träumen? Haben Sie da auch Gerüche wahrgenommen?«
»Moment. Es war ja nur ein Traum. Ansonsten hatte ich bei Einsätzen das Gefühl, an gewissen Orten schon einmal gewesen zu sein. Aber nicht als diejenige Person, die ich jetzt bin, sondern in einem früheren Leben und in einer anderen Gestalt. Das mit dem Traum ist erst vor kurzem passiert, John, das habe ich Ihnen doch erzählt.«
»Ich habe nur noch einmal fragen wollen. Wir müssen allerdings davon ausgehen, daß wir am Ziel nicht mehr allein sind.«
»Sie denken an das Licht – oder?«
»So ist es. Und ich bezweifle, daß ich mich geirrt habe. In dieser Dunkelheit sieht man ein Licht auch aus sehr weiter Entfernung. Wahrscheinlich war das bei dem oder den anderen ebenso. Die müssen gesehen haben, daß sich der Zugang öffnete. Ich rechne auch damit, daß es einen zweiten Zugang gibt. Vielleicht auch von oben her oder eine direkte Verbindung zu den Abwasserkanälen. Das hier unten kann durchaus der Eingang zu einem Labyrinth sein. Und auch Sie werden von Jugendlichen gelesen haben, die es sich unter der Erde in alten Stollen und stillgelegten Wasserzuflüssen gemütlich gemacht haben.«
»Nicht nur Jugendliche, sondern auch andere. Obdachlose und so weiter. Aber als ich träumte, hier zu sein, da sah ich die Umgebung schattenhaft, nur keine Menschen, bis auf diese Gestalt, von der ich nur weiß, daß sie schrecklich war, die ich allerdings nicht beschreiben kann. Ich weiß komischerweise auch nicht, ob ich Angst vor ihr haben soll oder nicht. Das ist sehr seltsam.«
»Wie kommen Sie darauf, Donna?«
»Darüber habe ich nachdenken können. Nur habe ich nichts erreicht. Ich weiß es einfach nicht. Einerseits habe ich Angst, andererseits zieht mich diese Gestalt an. Das in die Reihe zu bringen, ist beinahe unmöglich. Ich fühle mich dabei wie ein Zwitter. Eingeklemmt von zwei verschiedenen Seiten, wobei ich nicht weiß, zu welcher Seite ich gehöre.«
Das war neu für mich. So hatte mir Donna Preston ihre Erlebnisse zuvor nicht geschildert, und ich fand auch keine Erklärung, die uns gepaßt hätte.
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