1031 - Donnas zweites Leben
es durch.« Sie straffte ihren Körper und lächelte mit geschlossenen Lippen.
Donna und ich befanden uns auf einem Uferstreifen der Themse, der nicht immer als Spazierweg benutzt werden konnte. Zu Regenzeiten war der alte Treidelpfad meist überflutet, doch jetzt, wo die Hitze schon brutal war und die Themse deshalb recht wenig Wasser führte, konnte er durchaus benutzt werden.
Es war kein großes Vergnügen, hier zu laufen. Zahlreiche Steine bedeckten den Boden, der nie glatt war, sondern viele Risse hatte.
Wasser hatte Dreck hineingespült. Da war der Schlamm liegengeblieben, und so hatte sich an den Oberflächen auch eine dünne Pflanzenschicht bilden können.
Die meisten Menschen bewegten sich über uns auf den normalen Wegen. In der Nähe lag auch keine Anlegestelle für Ausflugsboote.
Dieser Uferstreifen hier schien vergessen worden zu sein.
Zu den normalen Wegen hin war der Hang durch Steine befestigt worden. Sie bildeten einen harten Deich, der auch bei Hochwasser nicht aufweichen konnte. Am Ende schützte ein Gitter vor dem Abrutschen, und dahinter rollte dann der normale Verkehr.
Uns umgab ungewöhnliche Stille, die eigentlich nur durch das Rauschen des Wassers gestört wurde. Eine träge, graue Flut wälzte sich durch das Bett. Schiffe fuhren durch die Strommitte. Ausflugsboote waren voll besetzt. Bei diesem Wetter fuhren sie bis tief in die Nacht hinein, und es gab kaum ein Boot, auf dem nicht irgendeine Party stattfand. Man genoß die Sommerabende und die lauen Nächte. In diesem Jahr waren sie viel zu spät gekommen.
Ich empfand die Umgebung hier unten als ziemlich seltsam. Alles war vorhanden, fast zum Greifen nah. Da hatte sich nichts verändert. Trotzdem kam sie mir fremd vor. Ob es an den Geräuschen lag, die so gedämpft klangen, konnte ich nicht einmal sagen. Sie schienen zurückgedrückt worden zu sein und über allem zu schweben, mit ihnen aber nicht in einer normalen Verbindung zu stehen.
Donna ging an meiner rechten Seite. Das Wasser floß links von mir. Hin und wieder warf ich der Kollegin einen scharfen Blick zu.
Sie wirkte in sich gekehrt, als wäre sie in schwere Gedanken versunken. Andererseits auch aufmerksam, wie jemand, der jeden Augenblick einen Angriff erwartet.
Ich stellte keine Frage. Donna aber hatte meine Blicke registriert und sprach mich darauf an. »Habe ich etwas an mir?«
Ich schaute für einen Moment weit nach vorn und sah die Umrisse der Tower Bridge im leichten Dunst. »Nein, Sie haben nichts an sich. Aber Sie wirken verbissen.«
»Das kann durchaus sein.«
»Und? Gibt es dafür einen Grund?«
»Keinen sichtbaren, den Sie mir abnehmen könnten, John. Es ist ein Gefühl. Es ist das berühmte Kribbeln, das mich immer dann überkommt, wenn jemand in der Nähe lauert oder etwas bestimmtes nicht mehr weit entfernt ist.«
»Die Szenerie aus dem Traum also?«
»Ja, wenn Sie so wollen. Ich weiß, daß wir nicht mehr weit zu gehen haben.« Sie blieb stehen und strich über ihr Kinn hinweg. Dann bewegte sie drehend die linke Hand und nickte dazu. »Hier irgendwo hat mich mein Traum hingeführt.«
»Sind Sie die Strecke hier am Fluß entlanggegangen?«
»Ja, bin ich.« Sie überlegte einen Moment. »Und dann rechts.«
»Aber nicht den Damm hoch?«
»Nein.« Ihre Stimme wurde leiser. »Da war noch etwas. Man konnte hineingehen. Es trieb mich hinein. Ich habe mich nicht dagegen wehren können. Es ist für mich ein wichtiger Ort gewesen, verstehen Sie? Der Traum hat mich nicht grundlos erwischt und mich sogar gequält. Ich muß wieder hin, auch wenn dort Gefahren lauern könnten. Aber ich will das wiedersehen, was ich schon kenne. Es drängt immer stärker. Wie bei einem Menschen, der unbedingt und mit allen Mitteln zu einem gewissen Ort geführt werden will.«
»Machen Sie sich keine zu großen Sorgen. Sie sind ja nicht allein.«
Meinen Optimismus wollte sie nicht teilen. »Es kann durchaus sein, daß es gefährlich wird, John.«
»Damit rechne ich sogar. Aber Sie haben mich ja nicht grundlos als Begleiter ausgesucht.«
»Stimmt. Aber ich möchte nicht, daß Sie sich als mein Leibwächter sehen. So ist das auch nicht. Ich habe nur viel über Sie gehört, was ja nicht ausbleibt, und da dachte ich mir, daß Sie der richtige Mann sind, um nachzuforschen. Außerdem habe ich Ihnen von dieser schrecklichen Gestalt erzählt, die plötzlich da war.« Nach diesem Satz schien Donna in einen Eiskeller geraten zu sein, denn auf ihrem Gesicht malte sich eine Gänsehaut
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