1033 - Schlangenfluch
intensiver, und auch die Stille wurde plötzlich von Geräuschen gestört.
Der Dieb kam mit den neuen Geräuschen nicht mehr zurecht. Mit menschlichen Stimmen hatte er sowieso nicht gerechnet, höchstens mit dem schnellen Trippeln irgendwelcher Rattenfüße. Aber das hörte er nicht, sondern andere Laute.
Verwundert blieb er auf dem letzten Drittel der Treppe stehen.
Wieder starrte er in die Tiefe, und er merkte auch, daß sich die Temperatur verändert hatte. Das war ihm zuvor kaum aufgefallen. Vielleicht hatte er auch nicht darauf geachtet, aber es war wesentlich wärmer hier unten als oben im großen Wohnzimmer. Paradoxerweise hinterließ dieser neue Eindruck auf seinem Rücken einen kalten Schauer. Er war gewarnt. Für einen Moment dachte er an Umkehr, dann jedoch brandete die Gier wieder in ihm hoch.
Geld, Schmuck, möglicherweise auch Papiere oder Aktien. Eine fette Beute jedenfalls, das stellte er sich vor. Da war er auch bereit, Hindernisse zu überwinden und sich Gefahren zu stellen.
Veccio führte seine Raubzüge stets ohne Schußwaffe durch. Er wollte sich nicht selbst in Versuchung bringen, die Waffe zu ziehen und auch zu schießen. Diebstahl war ein anderes Verbrechen als Mord.
Trotzdem war er nicht waffenlos. Griffbereit in seinem Spezialgürtel steckte ein zweischneidiges Springmesser. Damit konnte er umgehen. Im Zirkus hatte er mal mit einem Messerwerfer trainiert. Davon profitierte er noch heute.
Die Geräusche blieben. Sie versteckten sich noch im Halbdunkel des Kellers. Der Einbrecher dachte daran, die Lampe zu wechseln und sich auf seine größere zu verlassen.
Da sah er die Ratte.
Er hörte ihr Quieken. Das schnelle Rennen von einer Seite zur anderen und nicht einmal weit von der untersten Treppenstufe entfernt. Das Tier flüchtete in den tieferen Schatten hinein, in dem sich plötzlich etwas bewegte.
Alles ging sehr schnell. Genau bekam Veccio es nicht mit. Er mußte erst die rechte Hand mit der Lampe drehen. Der Strahl schoß messerscharf auf das Ziel zu.
Joe stockte der Atem. Was er sah, war kaum zu fassen, denn die Ratte war verloren. Sie schien genau in den weit aufgerissenen Rachen einer Schlange hineingesprungen zu sein.
Was eine Schlange einmal als Beute besaß, das ließ sie nicht mehr los. Auch die Ratte bekam keine Chance. Es war das Gesetz der Natur. Fressen und gefressen werden.
Joe Veccio stand da und vergaß seinen eigentlichen Job. Obwohl ihm kalt war, konnte er sich dieser Faszination nicht entziehen. Mit der hinteren Körperhälfte ragte die Ratte noch aus dem Schlangenmaul hervor. Sie zuckte auch. Nur war es nicht zu erkennen, ob diese kurzen Bewegungen an ihr selbst lagen oder die Schlange dafür verantwortlich war, denn sie würgte die Ratte tiefer in ihren Rachen hinein.
Joe kannte sich mit Schlangen nicht aus. Diese hier gehörte nicht eben zu den kleinen. Man konnte sie schon als eine Riesenschlange ansehen, die sich in diesem feuchten und auch warmen Keller sehr wohl fühlte. Nahrung hatte sie auch bekommen. Veccio rechnete damit, daß es in dieser Umgebung nicht nur eine Schlange gab. Da war sicherlich ein Nest, nur hielten sich die anderen versteckt.
So gern er in dieser Nacht fette Beute gemacht hätte, unter diesen Umständen konnte er gut darauf verzichten. Schlangen gehörten nicht unbedingt zu seinen Lieblingstieren. Zudem war ihm das eigene Leben wichtiger.
Joe hatte keinen Nerv mehr, noch länger auf den zuckenden und würgenden Schlangenkörper zu schauen. So schnell wie möglich wollte er das Weite suchen. Noch auf der Stufe stehend, drehte er sich um.
In diesem Augenblick geschahen zwei Dinge. Joe glaubte, am Ende der Treppe und dicht an der Mauer, eine schattenhafte Gestalt gesehen zu haben, was nicht unbedingt sein mußte. Die beiden dunklen und dünnen Schlangen konnten auch von allein die Stufen hinabgeglitten sein, und sie waren so verdammt nah.
Eine lag bereits auf seinem rechten Fuß, wo sie nicht blieb, denn sei schlüpfte geschmeidig unter sein Hosenbein. Nicht mal weit hoch. Ihr Kopf befand sich kurz über dem Sockenrand, als sie zubiß.
Joe nahm nur für einen winzigen Moment den Schmerz wahr. Er wollte nicht glauben, was ihm passiert war, aber es blieb dabei. Er achtete auch nicht auf die Schlange, die sich wieder zurückzog.
Durch seinen Kopf tobte nur ein Gedanke.
Ich bin gebissen worden! Ich bin von einer verdammten Giftschlange gebissen worden…
***
Der menschliche Verstand war Joe Veccio plötzlich entrissen worden. Er
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