1034 - Kitas Kettenhund
brauchte nicht mehr zu sprechen. Er deutete nur in die Höhe. Dort war zwar eine Decke vorhanden, aber sie hatte ein Loch bekommen. Die viereckige Öffnung, in die genau die Plattform hineinpaßte, mit der wir nach unten gefahren waren. Ihr hydraulischer Stempel war im Boden verschwunden, aber man hatte die Öffnung nicht geschlossen.
Und dort hockten die Gäste. Sie belagerten dicht an dicht die vier Ränder der Öffnung. Von uns aus sahen ihre Gestalten verzerrt aus, wie die von Komparsen bei einem Grusical, das auf irgendeiner Bühne gespielt wurde.
»Töte sie! Töte sie! Töte sie…!«
Es waren immer die gleichen Worte, die uns entgegengeflüstert wurden. Jeder hatte seine Stimme gedämpft. Zusammengenommen aber wirkte das Flüstern wie eine finstere Drohung, und sie wurde von dem unterstrichen, das die Zuschauer in ihren Händen hielten.
Es waren Schußwaffen, deren Mündungen schräg in die Tiefe zeigten und auf uns gerichtet waren.
Jetzt wurde es kritisch…
***
Auch Kita mußte die Veränderung an uns aufgefallen sein. Weshalb sonst hätte sie ihren Kettenhund loslassen sollen? Sie gab ihm einen Klaps, und die Bestie mit dem menschlichen Gesicht trottete zur Seite, während Kita noch immer hockte und ihre Arme angewinkelt hatte. Sie wippte leicht auf ihren Füßen. Dabei starrte sie uns an und machte den Eindruck, als wollte sie sich jeden Augenblick abstoßen und auf uns zuhechten.
Dann stand sie auf. Sehr langsam und geschmeidig. Eine Waffe zog sie nicht, darauf konnte sie dank ihrer Helfer verzichten. Doch wir hatten ihr etwas angetan, zumindest ich, denn ihr Blick richtete sich auf mein Kreuz.
»Nimm es weg!« schrie sie mich an. »Nimm es weg!« Wild schüttelte sie dabei den Kopf, als wäre ihre Körper von irgendwelchen Schlägen durchgeschüttelt worden.
Ich wartete, bis eine kurze Pause eingetreten war. »Nein, Kita, es bleibt!«
Die Bewegungen stoppten. Jetzt knurrte sie wie ihr Kettenhund, der ebenfalls sprungbereit auf der Stelle stand und seinen muskulösen Körper gespannt hatte.
»Du wirst es wieder verschwinden lassen, denn ich hasse es. Tust du es nicht, dann brauche ich nur mit den Fingern zu schnippen, und meine Freunde werden euch erschießen. Sie alle stehen auf meiner Seite. Sie wissen, wie mächtig ich bin. Sie kennen das Spiel aus Gewalt und Tod. Es liegt an euch…«
»Tu es!« wisperte mir Suko zu, der mir angesehen hatte, daß ich der Aufforderung nicht nachkommen wollte. Auch jetzt befand ich mich in einer Zwickmühle. Ich war kein Mensch, der so leicht kapitulierte. Ich hätte mein Kreuz aktivieren können. Nur mußte ich dazu eine bestimmte Formel sprechen. Das wieder hätte Zeit gekostet, und waren es auch nur Sekunden. Die allerdings konnten ausreichen, unsere Körper von Kugel zerfetzen zu lassen.
Kita bewegte ihren rechten Arm und und auch ihre Finger. Sie drückte sie nach innen. Jetzt war sie bereit, mit ihnen zu schnicken, wie sie es angedroht hatte.
»Tu es, John!«
Suko drängte mich. Ich vertraute ihm. Bevor Kita etwas unternehmen konnte, sah sie mein Nicken und auch die Bewegung der Hand.
Das Kreuz verschwand in der geschlossenen Faust und wenig später auch in meiner rechten Tasche.
Kita nickte. »Sehr gut, sehr gut. Ich wußte doch, daß ich die Trümpfe halte. Ich habe gespürt, daß du etwas Besonderes bei dir trägst, das selbst mir und meinem Kettenhund gefährlich werden kann. Du hast zu lange gewartet, denn ich habe hier das Sagen, und ich weiß, was ich meinen Freunden dort oben schuldig bin, die mir den Rücken decken.«
Ich wollte etwas Zeit gewinnen und fragte deshalb: »Kennen sie es? Haben sie dem mörderischen Schauspiel schon öfter zugesehen?«
»Ja, ja!« Kita freute sich diebisch. »Ich habe hier unten so etwas wie eine alte römische Zeit zurückgeholt und sie wieder aufleben lassen. Gladiatorenkämpfe. Der Mensch gegen die Kreatur der Finsternis, bewacht von den anderen Kreaturen an den Wänden. Wir haben hier wunderbare Kämpfe erlebt, und glaube mir, niemals hat ein Mensch auch nur gewinnen können.«
Ich mußte schlucken, denn so leicht waren diese Worte nicht zu verdauen. Mit einer mir fremd vorkommenden Stimme fragte ich:
»Wie viele Menschen sind schon Opfer des Kettenhunds geworden?«
»Ich habe sie nicht mehr gezählt.«
»Und ihr Verschwinden fiel nie auf?«
»Nein. Denn sie waren Menschen aus anderen Ländern, die sich nach England eingeschlichen hatten und auf den Straßen lebten. Zuerst waren sie froh, daß
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