1036 - Die Psychonauten-Hexe
Showbiz reserviert worden.
Ich gehörte nicht dazu.
Sheila und Bill Conolly, meine Freunde, ebenso wenig. Trotzdem hatten wir Plätze in der ersten Reihe bekommen. Das war allein Sheila Conolly zu verdanken, die sich vor Jahren einmal in der Modebranche engagiert hatte und jetzt mehr im Hintergrund als stille Teilhaberin wirkte, aber noch immer sehr interessiert war. Deshalb besuchte sie auch die Schauen, zumindest die nicht so ganz berühmten hier in London. Sie hielten den Vergleich mit Paris oder Mailand nicht stand. Designer, die hier ihre Mode präsentierten, standen zumeist noch am Anfang oder hatten es gerade geschafft, Grenzen zu überspringen. Aber verrückte Typen gab es auch hier genug, und mir wurde der Kragen ein wenig eng, obwohl ich keine Krawatte trug.
Ehrlich gesagt, ich fühlte mich nicht wohl. Meinem Freund Bill, der sich in meiner Nähe hielt, erging es ebenso. Nur Sheila fühlte sich in ihrem Element. Deshalb hatte sie sich auch von uns zurückgezogen und sprach mit zahlreichen Leuten, begrüßte sie – hier ein Küsschen, da ein Küsschen –, wobei man nie genau wußte, ob man eine Frau oder einen Mann geküsst hatte, denn der neue, von der Modewelt kreierte Typ lag irgendwie zwischen diesen beiden Gegensätzen. Bei ihm sollten sich die Geschlechter irgendwie aufheben, und der Begriff androgyn machte die Runde. Man liebte eben Männer als auch Frauen. Man brauchte sich nicht mehr festzulegen.
Dementsprechend sahen auch die Kollektionen mancher Designer aus. Diese Kleidung konnte von Männern als auch von Frauen getragen werden, und damit konnten Bill und ich nichts anfangen, weil das Originelle einfach fehlte. Hier löste sich das Individuum einfach auf und wurde zu einem manipulierbaren Massenartikel.
Die Schau hatte noch nicht begonnen, und so konnten wir uns im Hintergrund halten. In dem großen Saal, der zu einem Hotel gehörte und dessen Eingänge penibel genau bewacht wurden, war auch eine Bar aufgebaut worden, hinter der zwei blassgesichtige, ebenfalls androgyne Jünglinge die Drinks mixten und sie mit beinahe schon qualvollen Gesichtern, in denen das Lächeln mehr als gezwungen wirkte, servierten.
»Was trinkst du, John?«
»Gibt es hier Bier?«
»Ich glaube nicht. Vielleicht in Flaschen.« Bill winkte einem der Kameraden zu und erkundigte sich.
»Nein, Sir«, erhielten wir die nasal klingende Antwort. »So etwas servieren wir hier nicht.«
»Was dann?«
»Champagner, einige Longdrinks und…«
»Dann geben Sie uns zwei Wodka Orange und zweimal Mineralwasser. Ist das okay?«
»Natürlich, Sir.«
Ich versuchte, den Hintergrund zu vergessen. All den Wirrwarr der Stimmen, das gespreizte Getue, das Getuschel über die Kollektion, die noch gar nicht vorgestellt worden war, aber schon jetzt mehr oder minder offen kritisiert wurde, möglicherweise auch von neidischen Konkurrenten.
Eigentlich passten wir auch vom Outfit her nicht zu dieser Gesellschaft. Die meisten männlichen Besucher trugen Schwarz, die Klamotten der Kreativen. Nur selten mit Weiß gemixt, ansonsten schwarz in allen möglichen Schattierungen, und dieses Schwarze, das mittlerweile zu einer Weltanschauung geworden war, setzte sich auch in ihren Gesichtern fest, die alle so grau aussahen, als ginge es den Leuten unheimlich schlecht. Auch das gehörte zu einer Masche, die sich in den letzten beiden Jahren durchgesetzt hatte und auch von den Laufstegkatzen propagiert wurde, denn viele von ihnen, die über den catwalk schritten, sahen aus wie lebende Leichen.
Schreckliche Gestalten. Abgemagert, knochig, als wären sie soeben einer Entziehungskur entsprungen. In der Tat nahmen viele Models Drogen, was überhaupt nicht spaßig war, da sie der jungen Generation doch oft genug als Vorbilder dienten. Für den Trend taten sie alles. Da hungerten sie sich noch so viel runter, bis sie selbst aussahen wie lebende Leichen. Oft genug war das eine oder andere Model schon zusammengebrochen. Der Körper macht eben nicht alles mit.
Ich hatte mich in meine grauen Jeans gezwängt, trug dazu ein Jackett aus dünnem Stoff und ein Hemd ohne Krawatte. So stand ich seitlich zur Bar, gegen den Handlauf gestützt, und konnte Bill ebenso anschauen wie in den Trubel hineinsehen.
»He, was machst du für ein Gesicht?«
Ich hob die Schultern. »Das hier ist nicht meine Welt. Wäre Suko mitgekommen, hätte er sich schon abgesetzt.«
»Sieh das doch lockerer.«
Ich senkte den Blick. »Ich weiß nicht, ob ich das kann, Bill. Du kennst den
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