104 - Mr. Silvers Sohn
bißchen zu hoch ein?«
»Wir können es ja bleiben lassen«, entgegnete Rudin lächelnd. Er leerte sein Glas und füllte es noch einmal.
»Ich weiß nicht einmal, was sich in diesem Koffer befindet«, sagte das blonde Mädchen. »Vielleicht bewahrt Henry Huston darin lediglich seine schmutzigen Socken auf.«
»Das wirst du erfahren, sobald ich den Koffer für dich geöffnet habe«, sagte Stuart Rudin. »Für tausend Pfund.«
Judy seufzte. »Na schön, du Wucherer. Du nützt meine Zwangslage aus.«
»Zahlbar im voraus«, sagte der Dieb. »Wie du siehst, habe auch ich meine Prinzipien.«
»Ich gebe dir einen Scheck.«
»Bargeld ist mir lieber«, sagte Rudin.
»Also gut, ich bringe dir das Geld.«
»Wann?« wollte Stuart Rudin wissen.
»Heute abend.«
Der Altwarenhändler hob grinsend sein Glas. »Es ist mir ein Vergnügen, mit dir Geschäfte zu machen. Wir sollten öfter zusammenarbeiten.«
»Das werden wir ganz bestimmt nicht tun«, entgegnete das Mädchen.
»Du bist mir zu clever. Ich weiß nicht, wieso, aber ich komme mir bei dir übervorteilt vor, und das gefällt mir nicht.«
***
Plötzlich wendete sich das Blatt!
Ich weiß nicht, was im Inneren des Sandsturmes vor sich gegangen war. Ich sah nur die Auswirkungen. Da war auf einmal ein Kreischen, das mir beinahe das Trommelfell zerriß.
Reccish hatte es ausgestoßen!
Der blaue, wirbelnde, brausende, dröhnende Schlauch bekam Beulen, unförmige Ausbuchtungen.
Dieses wild wirbelnde Drehen begann zu taumeln, kam immer weiter aus der Bahn, verlor den Kontakt und schnellte mit einem neuerlichen, noch lauteren Kreischen nach oben. Es raste so schnell hoch, wie es gekommen war, wurde wieder zum Punkt, und dieser löste sich in der nächsten Sekunde auf.
Im Wüstensand lagen Mr. Silver und Cuca - unverletzt. Der Ex-Dämon hatte es geschafft, dem Sandsturmmonster zu trotzen. Es war ihm gelungen, Reccish in die Flucht zu schlagen. Die Größe dieses Triumphs konnte nur der ermessen, der das gewaltige Sandsturmmonster gesehen hatte.
Reccish war geschlagen.
Mirsa hatte sich umsonst geopfert. Das gefiel Marbu. Die schwarze Kraft bedauerte lediglich, die Teufelin nun nicht mehr selbst töten zu können.
Ich begab mich zu Mr. Silver. Der Ex-Dämon war vom Kampf schwer gezeichnet. Reccish hatte ihm mehr abverlangt als die vielen anderen Gegner, mit denen der Hüne bisher zu tun gehabt hatte.
Sein Blick fiel auf Cuca. Die Hexe konnte sich kaum noch bewegen. Drei Viertel ihres Körpers waren nun schon vom Holzkeim befallen, und ich merkte, daß auch meine Gliedmaßen allmählich steif wurden.
»Wir müssen weiter!« sagte der Ex-Dämon nervös.
»Cuca kann nicht mehr gehen«, sagte ich.
»Dann werde ich sie eben tragen. Ich lasse sie nicht hier zurück«, erwiderte der Hüne entschieden. »Wie steht es mit dir? Kannst du noch laufen?«
»Schlecht.«
»Ich werde dich stützen.«
»Mutest du dir nicht zuviel zu? Du hast eben erst diesen kräfteraubenden Kampf gegen Reccish hinter dich gebracht.«
»Ich bin noch stark genug, um euch zum Brunnen der Umkehr zu bringen«, knirschte der Ex-Dämon. Dann hob er Cuca hoch und legte sie sich auf die Schulter.
Bei flüchtigem Hinsehen hatte es den Anschein, er würde tatsächlich einen Baum tragen.
Ich hängte mich an ihn, und so schleppten wir uns durch die blaue Wüste, die auch ohne Reccish gefährlich genug war. Mich plagte der Durst, und eine Gier nach Blut erwachte in mir.
Nach Mr. Silvers Blut!
***
Judy Simmons brachte ihrem Jugendfreund das Geld. Sie gab es ihm mit den Worten: »Da hast du, du Preistreiber. Ich bin sicher, es hätte sich jemand auftreiben lassen, der mir den Gefallen für ein Viertel der Summe getan hätte.«
»Ich weiß, was ich wert bin«, erwiderte Rudin schmunzelnd. »Außerdem bleibt das Geld ja gewissermaßen in der Familie.«
»Hoffentlich lohnt sich die Investition.«
»Gott, wie du jammern kannst«, sagte Rudin grinsend. »Was sind für dich schon tausend Pfund? Die knöpfst du diesem Henry Huston doch im Handumdrehen ab. Weißt du schon, wie wir die Sache angehen?«
Judy nickte. »Ich fahre jetzt zu Huston. Wir werden zusammen essen, und anschließend werde ich mit ihm in seiner Suite sein.«
»Du meinst doch nicht etwa, ich soll seinen Koffer knacken, während er da ist?« fragte Stuart Rudin. Er kräuselte die Nase und schüttelte den Kopf. »Das gefällt mir nicht. Wenn du ihn nicht gut genug ablenkst, kriegt er spitz, was nebenan passiert, und dann haben wir beide
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