1040 - Madonna auf dem Höllenthron
war so weich wie die Haare eines Pinsels. »Ich werde dich in Sicherheit bringen, wenn du es willst. Wir verlassen die Werkstatt hier. Meinetwegen bringe dich dich zu mir, wo du warten kannst. Oder auch in ein Hotel, das ist mir egal. Aber ich kehre dann wieder zurück.«
»Und was willst du?«
»Mich um das Bild kümmern.«
Nach dieser Antwort versteifte sie sich für einen Moment in meinen Armen. Aus dem Mund drang ein langgezogenes Stöhnen. Dann löste sie sich von mir und wischte über ihre Augen.
»Reicht es dir denn nicht, was hier passiert ist?« fragte sie.
»Nein, Julia. Das mußt du verstehen. Ich habe das Geheimnis des Bildes noch immer nicht klären können.«
»Ja«, murmelte sie. »Da hast du recht. Das stimmt. Das stimmt wirklich alles.«
»Eben.«
»Dann bleibe ich.« Ihre Arme sackten nach unten, und wieder ballte sie die Hände zu Fäusten. So wollte sie ihren Entschluß dokumentieren und bewies auch, daß Energie in ihr steckte.
»Das liegt an dir.«
»Begeistert bist du nicht?«
»Na ja, ich habe dir einen Vorschlag gemacht, Julia. Du hast ihn nicht akzeptiert und…«
»Bitte, John, denk nicht, daß ich eine Heulsuse bin. Das mag dir so vorgekommen sein, aber das ist auch alles verständlich, meine ich mal. Oder nicht?«
»Ich habe nichts gesagt.«
Sie schaute dorthin, wo der Staub lag. »Du hast ihn vernichtet, John, und das ist gut. Sehr gut, sogar. Ich habe so etwas noch nie zuvor erlebt, aber ich schwöre dir, daß es mir nichts mehr ausmachen wird. Wir müssen das einfach durchziehen. Außerdem gibt es da noch das Bild. Irgendwo fühle ich mich dafür auch verantwortlich. Du denkst anders darüber, das weiß ich.« Sie nickte, lächelte verzerrt und tat dann etwas, über das ich mich wunderte.
In einer Ecke stand ein Besen. Den schnappte sie sich und fing an, die Scherben zusammenzufegen. Die Reste schob sie unter ihre Arbeitstisch, wo sie nicht mehr im Weg lagen. »So, jetzt rutscht keiner mehr aus.«
»Sehr gut.«
»Ach, hör auf. Ich mußte mich einfach beschäftigen. Das war wie eine Drang, der in mir steckte.« Ihr Blick fiel noch zum zerstörten Fenster.
»Ich bin gespannt, was wir jetzt noch erleben werden. Das ist eine Lücke, da kann fast jeder durch.«
»Dann müßte er hochklettern. Bisher haben wir es noch nicht mit einem menschlichen Gegner zu tun gehabt.«
»Nein«, sagte sie und lachte dabei unecht. »Nur mit einer riesigen Fledermaus. Verdammt noch mal, John, ich habe ja viel Phantasie, glaube ich. Aber ich kann nicht begreifen, wie ein solches Wesen überhaupt existieren kann und woher es kommt. Das schaffe ich nicht. Da bin ich einfach überfragt.«
»Nimm zur Kenntnis, daß es sie gibt!« sagte ich.
»Und weiter?«
»Nichts.«
»Du weißt doch mehr.«
Ich lächelte in mich hinein. Ja, ich wußte mehr. Aber ich wollte ihr nichts sagen. Was hätte es für einen Sinn gehabt, ihr von der Vampirwelt eines Dracula II zu erzählen, die in einer anderen Dimension existierte und tatsächlich eine Heimat für diese verfluchten Blutsauger war. Sie war eine unglaubliche Zone. Eine Welt der Finsternis und Schwärze. Lichtlos und kalt. Dort hatten Dracula II und seine schrecklichen Vasallen ihre neue Heimat gefunden, die sie auch hin und wieder verließen, um in der normalen Welt zuzuschlagen. Ich konnte mir gut vorstellen, daß Mallmann diesen Boten geschickt hatte. Denn alles, was mit Vampiren zu tun hatte, das fiel natürlich in sein Gebiet, und darum kümmerte er sich auch instinktiv.
Dieses Bild konnte Mallmann durchaus interessieren. Es war gemalt worden und lebte trotzdem. Eine der Personen war sogar in der Lage gewesen, zu sprechen, denn jemand hatte meinen Namen gerufen.
Obwohl ich mich schon relativ lange in Julias Werkstatt aufhielt, waren wir im Prinzip noch nicht weitergekommen.
»Woran hast du jetzt gedacht, John?«
»Nichts, was dich beunruhigen könnte.«
»Das glaube ich dir nicht.«
»Dann laß es so stehen. Ich muß mich wieder um das Bild kümmern.«
Dann wechselte ich das Thema und kam wieder auf die Stimme zu sprechen. Ich wollte wissen, ob Julia herausgefunden hatte, wer da mit ihr in Kontakt getreten war.
»Sie hat neutral geklungen, John.«
»Es hätte auch der Mönch sein können?«
»Ja.«
»Gut. Dann hoffe ich, daß wir beide die Stimme noch einmal hören. Es wäre bestimmt von Vorteil.«
»Was sollte sie dir sagen?«
»Ich weiß es nicht. Es muß eine Lösung geben. Dieses Bild ist irgendwo verhext, magisch aufgeladen,
Weitere Kostenlose Bücher