1040 - Madonna auf dem Höllenthron
von links nach rechts über die Halswunden hinweg und schleckte.
Welch ein Genuß!
Schon jetzt geriet die Untote in einen regelrechten Taumel hinein. Die Süße und Herrlichkeit des menschlichen Lebenssafts war durch nichts anderes zu übertreffen. Eine über alle Maßen köstliche Vorspeise, die es sogar schaffte, ihren ersten Appetit zu stillen. Es war für sie ein Labsal, und sie schloß sogar die Augen. Das mußte einfach genossen werden.
So leckte sie auch den letzten Spritzer vom Hals weg und hob ihren Kopf wieder an.
Für einen Moment blieb sie neben ihrem Opfer knien. Sie genoß den Nachgeschmack des Blutes, und die Lippen hatten sich zu einem Lächeln verzogen.
Das Hauptgericht lag vor ihr.
Es war bereit!
Madonna senkte den Blick.
Der Kopf war wieder in eine Lage hineingeraten, die ihr nicht so paßte.
Sie legte ihn sich wieder zurecht und sah die weiße Haut des Halses schimmern.
Der Genuß würde unaussprechlich sein.
Madonna beugte sich vor.
Weit, so weit wie möglich riß sie dabei den Mund auf. Sie würde zubeißen wie ein Tier und dann nur noch eines kennen.
Trinken… trinken… trinken…
***
Ich war nicht aufgehalten worden und hatte die Galerie normal betreten können.
Eine Überraschung hatte ich trotzdem erlebt. Eigentlich hatte ich dunkle oder düstere Räume erwartet. Diese beiden waren es auch, aber es gab genügend Licht, denn vier helle Strahlen durchschnitten sie von verschiedenen Seiten und holten auf ihrem Weg bestimmte Ausstellungsgegenstände aus dem Dunkel hervor, die mich aber nicht weiter interessierten. Ich kümmerte mich nur um die Vitrinen, die einen Gang zwischen den Räumen teilten.
So günstig das Licht der Strahler einerseits auch war, andererseits brachte es mir schon einige Probleme, denn es blendete mich, wenn ich zu nahe heranging.
Ich sah nichts, und ich hörte auch nichts.
Trotzdem war ich überzeugt, daß sich Julia und Madonna hier aufhielten, denn die Galerie war ziemlich groß, eben weil die beiden Räume ineinander übergingen und sich der zweite in der Nähe des Eingangs erweiterte.
Was dort ausgestellt wurde, erkannte ich nicht. Da war ich einfach zu weit weg.
Ich ging zügig. Ohne allerdings die Wachsamkeit zu vergessen. Meine Augen bewegten sich mal nach rechts, dann wieder nach links. Ich befand mich dabei in der realen Welt und kam mir trotzdem wie jemand vor, der durch ein Schattenreich wandert.
Sie war hier.
Ich roch sie.
Von vorn her quoll mir der Geruch entgegen. Mit Vampiren hatte ich oft genug zu tun gehabt. Ich kannte deshalb ihren Gestank, ihre Ausdünstungen, die sie nicht verbergen konnten. Besonders dann nicht, wenn sie schon Jahrhunderte existierten.
Sie war hier, und Julia auch.
Nur - wie fand ich sie vor? Es war so verdammt still. Ich hörte Julia nicht.
Sie hätte heftig atmen oder schreien müssen, aber da war einfach nichts.
Das peitschte meine Sorgen in die Höhe. Sie hatte es mit einer ausgehungerten Blutsaugerin zu tun, und die würde keine Rücksicht kennen.
Zudem wußte Julia nicht, wie sie mit derartigen Monstren umzugehen hatte. Ich ging schneller. Es war mir jetzt egal, ob jemand meine Tritte hörte, aber die verfluchte Blutsaugerin hatte ich noch immer nicht zu Gesicht bekommen.
Sie mußte sich dort aufhalten, wo auch der zweite Raum sein Ende gefunden hatte, jenseits des letzten Lichtbalkens. Mir war nicht in den Sinn gekommen, nach weiteren Lichtquellen zu suchen, ich wollte sie nur so schnell wie möglich sehen.
Der Gestank verstärkte sich. Er raubte mir beinahe den Atem. Ich schmeckte ihn auf der Zunge, auch in der Nase, und dann lenkte er mich nicht mehr ab, denn ich sah die Umrisse der Blutsaugerin.
Sie kniete neben dem Opfer.
Tief, sehr tief gebückt, um die Zähne in den Hals der Julia Ross schlagen zu können. Es war eine klassische Position, und ich sah in diesem Augenblick rot.
Es konnte sein, daß mich auch Madonna bemerkt hatte, jedenfalls zuckte ihr Kopf plötzlich in die Höhe, aber mein Fuß befand sich bereits auf dem Weg zu ihr.
Der Treffer erwischte den Kopf an der linken Seite. Er hinterließ einen dumpfen Laut, und die Blutsaugerin verwandelte sich plötzlich in eine Puppe.
Sie flog zur Seite, ohne sich überhaupt abstützen zu können. Dabei rutschte sie über den Boden, prallte gegen einen der Tische und schleuderte ihn noch um.
Mir war klar, daß ich mich um Madonna kümmern mußte. Es gab aber auch noch Julia. Sie war für mich im Moment wichtiger. Ich wollte sehen, was
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