1040 - Unheil über Kran
spöttisch.
„Wenn ihr es aber vorzieht, könnt ihr auch hier unten bleiben."
Ein schier endlos langer Gang führte sie unter dem West- und dem Mittelflügel des Tärtras hindurch. Der aus gemauerten Steinen aufgeführte Korridor gehörte noch zur ursprünglichen Palastanlage, von der man nicht mehr genau wußte, wie viele Jahrtausende weit sie in die Vergangenheit reichte. Spätere Generationen hatten sich dieser unterirdischen Gewölbe nicht mehr bedient - wenigstens nicht im West- und im Mittelflügel. Nur drüben im Ostabschnitt hatte sich einer der Herzöge, womöglich Gu selber, einen bequemen Schlupfwinkel tief unter der Erde eingerichtet.
Der Gang endete vor einer schweren, stählernen Tür. Zu dieser hatte Klaque Vornesch einen komplizierten elektronischen Schlüssel gegeben. Er funktionierte einwandfrei. Hinter der Tür führte der Korridor weiter, aber er bestand jetzt nicht mehr aus Mauersteinen, sondern aus moderner Gußmasse, und in der Decke waren Leuchtplatten angebracht, so daß Vornesch seine Lampe ausschalten konnte. Er überzeugte sich, daß die Tür auf der Innenseite dasselbe Schloß besaß wie draußen. Erst dann erlaubte er ihr, sich zu schließen.
Die Gußmasse des Bodens hatte eine weiche, federnde Konsistenz, so daß es den Eindringlingen nicht schwerfiel, das Geräusch ihrer Schritte zu dämpfen. Vornesch schnupperte und versuchte, zu riechen, ob sich hier vor kurzem noch jemand aufgehalten habe. Aber die Luft war steril.
Sie kamen in eine Halle. Von fünf verschlossenen Antigravschächten glommen ihnen Leuchtsignale entgegen, die besagten, daß die Schwebeplatten sich am anderen Ende befanden.
„Damit käme man viel leichter wieder hinauf", wisperte einer der Prodheimer-Fenken.
„Du wirst keinen Aufzug und keine Treppe mehr brauchen, wenn du noch einmal unaufgefordert das Maul aufmachst", knurrte Vornesch zornig, und der Blaupelz zuckte ängstlich zusammen.
Gegenüber den Schächten lagen mehrere hohe Türen. Sie besaßen normale Verriegelungen und öffneten sich selbsttätig, wenn man auf sie zutrat. Vornesch hatte aus den unerschöpflichen Vorräten seines Gürtels eine Waffe zum Vorschein gebracht. Er untersuchte drei Räume und fand sie leer, jedenfalls aber noch vor wenigen Stunden benutzt. Im vierten schließlich entdeckte er, wonach er gesucht hatte.
Er winkte seine Begleiter hastig hinter sich her und schloß die Tür von innen. Der Raum, in dem sie sich befanden, war groß und wirkte wie ein teures Krankenzimmer, das von einer Bande nervöser Einbrecher ausgeraubt worden war. Die Hälfte der Einrichtungsgegenstände war verschwunden, und der Rest stand so unordentlich herum, als wäre er den Dieben bei der Flucht im Weg gewesen.
Vornesch achtete nicht auf die verblüfften Blicke seiner Genossen, sondern sah sich aufmerksam um. Die beiden Polsterliegen dort - für Kranen gemacht, aber ungenützt. Er fand einen leeren Raum in der diagonal gegenüberliegenden Ecke des Zimmers, eine Stelle, an der sich ohne Zweifel noch vor ein paar Stunden etwas befunden hatte. Groß mußte es gewesen sein. Eine dritte Liege? Warum nicht? Irgendwo mußte der Herzog schließlich gelegen haben. Aber die Lücke war weitaus größer. Eine dritte Liege - und was noch?
Er versuchte sich vorzustellen, wie es noch vor wenigen Stunden hier ausgesehen haben mochte. Die gewaltige Schar der Leibärzte, um Herzog Gus Leben kämpfend, die Herde der Favoritinnen, sicherlich nicht alle, aber doch viele von ihnen in den angrenzenden Räumen untergebracht. Als Gu von hier verschwand, hatten die, Getreuesten seines Hofstaats ihn begleitet, gewiß die Mehrzahl der Ärzte und einige Kraninnen. Ihr Aufbruch und das Ziel, zu dem der Herzog gebracht wurde, mußten geheim bleiben. Welchen Weg hatten sie genommen? Nach oben durch den Ostflügel des Palasts? Hatten sie den Herzog in ein Fahrzeug gesteckt und abtransportiert?
Nein, und nochmals nein. Vornesch wußte plötzlich, was dort in der Ecke neben der verschwundenen Liege gestanden hatte: ein Transmitter, eines von den transportablen Geräten mit autarker Energieversorgung.
Er zerbiß einen Fluch zwischen den scharfkantigen Zähnen. Damit hatte er nicht gerechnet. Es war so gut wie unmöglich, zu ermitteln, auf welches Ziel das Gerät kalibriert worden war.
*
„Wir sind zu spät", knurrte er seine Begleiter an. „Fort! Den Weg zurück, den wir gekommen sind."
Sie wollten Fragen stellen, aber er winkte sie ungeduldig zur Tür hin. „Später,
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