1040 - Unheil über Kran
Der kleine Blaupelz war bei Bewußtsein, aber er hatte keinen Willen mehr; besser noch: er konnte nicht mehr lügen.
„Wie heißt du?" begann Vornesch die Befragung.
„Yalip."
„Gut, Yalip. Was ist deine offizielle Funktion?"
„Ich bin untergeordneter Berater des Herzogs Gu."
„Und was tust du wirklich?"
„Ich bin Späher im Dienst des Leibarztes Argasrho."
„Welche Aufgabe hattest du in dieser Nacht zu versehen?"
„Ich sollte auf das Eintreffen Unbekannter warten, von denen man annahm, daß sie in Herzog Gus unterirdisches Quartier eindringen würden. Es war meine Aufgabe, Nahbeobachtungen anzustellen, und eine Identifizierung der Eindringlinge zu versuchen."
Vornesch war zufrieden. Die Antworten auf seine einleitenden Fragen bewiesen ihm, daß die Medikamente des Prodheimer-Fenken auf die gewünschte Weise wirkten. Jetzt erst kam das eigentliche Problem: herauszufinden, wohin Herzog Gu gebracht worden war.
„Wie hat Gu sich aus dem Tärtras entfernt?"
„Per Transmitter", antwortete der Gefangene.
„Auf welches Ziel war der Transmitter justiert?"
„Das weiß ich nicht."
Vornesch zerbiß einen Fluch zwischen den Zähnen.
„Wohin wurde Herzog Gu gebracht?" formulierte er die Frage von neuem.
„Das weiß ich nicht."
Verzweiflung packte Vornesch. Der Gefangene konnte nicht lügen! Wenn er angab, er wisse nicht, wohin Gu geschafft worden war, dann wußte er es nicht. Vornesch sah sich im Geist schon wieder von einem Versteck zum anderen wandern, diesmal nicht nur von der Bruderschaft, sondern auch von Klaque gejagt. Bei allen Geistern von ...
Er beugte sich jäh über den Gefangenen.
„Wer war in Herzog Gus Umgebung, als du ihn zum letzten Mal sahst?"
„Das übliche Gefolge - Musanhaar als Leiter der Ärztegruppe, Arzyria als angesehenste unter den Favoritinnen. Und ein Fremder."
„Ein Fremder!" triumphierte Vornesch. „Du meinst, einer, der sonst nicht zu Gus Hofstaat gehört?"
„Ja."
„Was weißt du über ihn? Kennst du seinen Namen?"
Der Gefangene strengte sich sichtlich an, um sein Gedächtnis zur Herausgabe der geforderten Information zu zwingen.
„Ein hoher Beamter", antwortete er schließlich. „Nikkam ... Freier von Nämis ..."
Vornesch stürmte ins Nebenzimmer. Jedes seiner Verstecke, so auch dieses, war mit fortschrittlichen Kommunikationsmitteln ausgestattet; das schuldete er seiner Sicherheit und seinem Ruf als zuverlässiger Spezialist für ungesetzliche Unternehmungen. Mit wenigen Tastendrucken stellte er eine Verbindung zum öffentlichen Informationsnetz her.
Als er kurze Zeit später in der Wohnhalle erschien, glitzerte sein Schuppengewand vor Zuversicht. Nicht daß er seiner Sache vollkommen sicher gewesen wäre. Der Fremde brauchte nichts mit Gus Abtransport zu tun zu haben. Es war mehr eine Ahnung, die ihm sagte, daß er sich auf der richtigen Spur befand.
„Es geht los, meine Freunde", sagte er.
9.
Die beiden Fahrzeuge näherten sich geräuschlos und ohne Lichter der Westgrenze des alten Stadtteils Pävolaan. Über ihnen brauste der Verkehr über die kühn geschwungene Hochstraße, hinter ihnen glänzten die Lichter des Bezirks Merdaris - vor ihnen war es finster.
In dem kleineren der beiden Schweber befanden sich Arzyria, die das Steuer führte, und Nikkam. Das zweite Fahrzeug war mit Spezialrobotern bemannt.
In Arzyrias Schweber hatte Nikkam die Aufgabe des Navigators übernommen. Sein Blick haftete auf dem kleinen Orterschirm, der Stör- und Streugeräusche aus dem vorab liegenden Gelände in Form von bunten Reflexen darstellte. Seit zehn Minuten meldete Nikkam in regelmäßigen Abständen, daß in der Gegend des geheimen Verstecks keine verdächtige Aktivität zu erkennen sei.
Beide Fahrzeuge drangen in den vernachlässigten Garten ein, der schon mehr einem Dschungel glich. Das Gestrüpp bot ausreichende Deckung gegen Einsicht von außen. Die Roboter glitten aus dem Kastenaufbau des Transportschwebers hervor, groteske, flinke Gebilde, die sich im unsichtbaren Licht ihrer Infrarottaster auf das höhlenähnliche Gewölbe im Fuß der halb zerfallenen Pyramide zubewegten, in dem Nikkam und Arzyria die geheime Kommunikationsstelle vermuteten.
Die Roboter hatten ihre Anweisungen bereits erhalten. Arzyria schwenkte den Pilotensessel zur Seite und saß nun vor einer kleinen, aber komplexen Kontrollkonsole, die es ihr ermöglichte, die Manöver der Roboter nach Belieben zu steuern und eine erste Plausibilitätsprüfung der eingehenden Daten
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