1042 - Das Feuer-Monster
Böse in der Welt. Es gab nur das Böse. Und das hatte sich schon sehr früh zu einem Gefühl entwickelt, das bei ihm alles andere überdeckte.
Haß!
Haß auf die Frommen, die so schrecklich bigott sein konnten. Haß auf die Strenge, Haß auf das, was hinter diesen Menschen stand, die nach außen hin so gute Schauspieler waren und tatsächlich nur als Gefangene ihres eigenen Frusts lebten.
So jedenfalls hatte Malik es empfunden. All die Jahre über, die er in dem Heim verbracht hatte. Man hatte ihm Lesen und Schreiben beigebracht, und man hatte sogar davon gesprochen - damals war er Vierzehn gewesen - ihn in den Kreis aufzunehmen. Ihn zum Priester zu machen. Er konnte sich genau daran erinnern, wie ihm an einem Weihnachtstag der Vorschlag gemacht worden war. Hätte er zugestimmt, wäre er sofort aus dem Kloster der Nonnen weggekommen. Malik hatte sich Bedenkzeit erbeten, und sie war ihm auch zugestanden worden.
Zwei Tage Bedenkzeit. Bis das Weihnachtsfest vorbei war. Soweit hatte er es nicht kommen lassen.
Der Abend war dunkel gewesen. Dicke Wolken hatten Schnee ausgespien, und dann hatte er seine Chance genutzt und war geflohen.
Weg, nur weg. Fort aus diesem verfluchten Kloster. Hinein in die Freiheit. Er war gerannt, gelaufen.
Er hatte sich versteckt, er hatte den Winter überstanden, und er hatte immer wieder gespürt, daß es einen Beschützer gab. Da war jemand, der sich seiner angenommen hatte. Kein Mensch, denn er hatte ihn nie gesehen, aber der andere war mit seiner Botschaft in Maliks Kopf eingedrungen, und er hatte gespürt, daß dieser andere ebenso haßte wie er.
Malik hatte ihn seinen unsichtbaren Freund genannt und ihn auf seine Art und Weise liebgewonnen.
Er verehrte ihn als Meister und Leiter, und der andere hatte ihm seinen Schutz versprochen. Das Versprechen war eingehalten worden, denn von diesem Zeitpunkt an hatte Malik erlebt, wie sehr sich sein Leben änderte und zum Besseren hin wandelte.
Was er anpackte, gelang. Es war alles wunderbar für ihn gelaufen. Er brauchte sich keine Sorgen mehr zu machen. Die Menschen waren freundlich zu ihm. Er besorgte sich Geld, er stahl es, und niemand kam ihm auf die Schliche.
Sein Freund war wunderbar und lobte ihn so, daß Malik schon verlegen wurde. Immer wieder hatte er ihn gefragt, wer er denn nun war, und er hatte auch eine Antwort bekommen.
»Ich bin dein Engel!«
»Schutzengel?«
»So etwas Ähnliches. Aber alles nur ins Gegenteil gekehrt. Du weißt, was ich meine.«
»Ja, das weiß ich.«
»Und du willst noch deine Rache?«
»Will ich.«
»Dann schlage sie mit ihren eigenen Waffen!«
Malik hatte nicht gewußt, was der andere damit meinte. Er sollte es sehr bald erfahren, als er den Ratschlägen folgte und sich von diesem Zeitpunkt als junger Priester ausgab.
In dieser Verkleidung standen ihm Tür und Tor offen. Die Menschen vertrauten ihm, und Malik mißbrauchte das Vertrauen. Er schlich sich ein, um anschließend zuzuschlagen. Er räumte Kirchen aus, er zündete die kleineren an. Er war zu einem Gespenst geworden, das durch den Osten Europas schlich. Ungarn, die Tschechei, die kleinen Dörfer, die dunklen Wälder, bis hinein nach Rumänien.
Und das alles in einer Zeit des Umbruchs und der Veränderungen.
Der Eiserne Vorhang verschwand. Die Menschen wurden frei, und sein Engel befahl ihm, sich zurückzuziehen und nachzudenken. Er sollte mit seiner Vergangenheit endgültig Schluß machen, und das bedeutete, sämtliche Brücken abzureißen.
Er ging wieder zurück in den kleinen Ort nach Ungarn, wo er geboren worden war.
Sein Vater lebte noch. Er arbeitete auch als Priester. Er heuchelte weiter. Nichts hatte sich verändert.
Den eigenen Sohn erkannte er nicht mehr, als dieser vor ihm stand.
Malik gab sich zu erkennen, um sich danach an der Angst seines Vaters zu weiden. Der Man wußte genau, was er verbrochen hatte, und er ahnte auch, weshalb sein Sohn zurückgekehrt war.
Malik tötete seinen Vater.
Völlig emotionslos erschlug er ihn mit dem schweren Sockel eines darauf stehenden Kreuzes. Danach brannte er die Kirche ab so gut wie möglich und spürte die Lust am Feuer. Die Flammen waren zu seinen Freunden geworden. Sie reinigten, und sie hatten letztendlich auch ihn gereinigt. Seine Mutter war ihm unbekannt, es interessierte ihn auch nicht, sie zu suchen, jetzt lag wieder ein neues Leben vor ihm, und wieder verließ er sich auf den Rat seines Freundes.
Er hielt sich in der nächsten Zeit zurück, weil ihm gesagt worden war,
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