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1043 - Engelkinder

1043 - Engelkinder

Titel: 1043 - Engelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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das?«
    Mir kroch etwas den Rücken hinab. Das sich anfühlte wie die dünnen, kalten Beine einer Spinne.
    Evita Munoz hatte den Begriff »Engelkinder« erwähnt. Damit hätte ich nicht gerechnet. Demnach wußte sie Bescheid und war eingeweiht.
    »Nein, das verstehe ich nicht, Evita. Aber ich möchte es gern verstehen. Du wirst mir bestimmt erklären können, was es mit den Engelkindern auf sich hat.«
    »Nein, das tue ich nicht. Hau jetzt ab. Geh weg. Ich werde nicht öffnen.«
    »Es wäre aber in deinem und vielleicht auch in Lilians Sinne.«
    »Bestimmt nicht. Laß mich in Ruhe. Ich will allein bleiben. Ich öffne keinem Fremden. Lilian war eine Freundin. Jetzt ist sie tot, und ich muß weinen.« Sie schlug noch einmal wütend gegen die Tür und verschwand in der Wohnung, was ich am Echo ihrer Tritte mitbekam.
    Ziemlich belämmert blieb ich stehen. Da war nichts zu machen. Ich konnte nicht einfach hingehen und die Wohnung öffnen lassen wie bei Lilian Purdom. Hier gab es keine rechtliche Grundlage, und es lag auch keine Gefahr für Leib und Leben vor. Und diesen unsichtbaren und seltsamen Dieb würde mir auch keiner abnehmen. Aber es war noch nicht aller Tage Abend. Zunächst einmal mußte ich mich zurückziehen. Ich würde in meine Wohnung gehen und nachdenken.
    Die Neugierigen waren noch immer da. Zumindest zwei Männer, die in den Türnischen lehnten.
    »Die Kleine hat wenigstens Charakter«, sagte einer von ihnen, ein Mann mit struppigem Ziegenbart.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Na ja, sie läßt nicht jeden in ihre Bude. Da ist die Mutter schon anders. Auf wen sind Sie denn scharf, Mister, auf die Mutter oder auf die Kleine?«
    Der Zorn schoß in mir hoch, wie in Korken, der aus der Sektflasche fliegt. »Halten Sie Ihr dreckiges Mundwerk. Erstens wohne ich nur vier Etagen höher, und zweitens bin ich Polizist und hätte Evita in einer dienstlichen Angelegenheit befragt.«
    »Es geht wohl um den Flug der Lilian?«
    »Um einen tragischen Selbstmord.«
    »Meinetwegen auch das. Okay, Sie sind ein Polizist. Das besagt heute gar nichts. Denken Sie mal über den Kanal hinweg. Da liegt Belgien, nicht wahr?«
    Er wartete eine Antwort nicht erst ab, sondern zog sich schattenhaft schnell in seine Wohnung zurück. Die Tür hämmerte er zu. Zum Abschied schickte er mir noch ein meckerndes Lachen entgegen.
    Ich hatte schon mein rechtes Bein gehoben, um gegen die Tür zu treten. Im letzten Augenblick riß ich mich zusammen, weil so etwas wirklich nichts brachte. Die Menschen waren schon eine besondere Spezies. Mir blieb nichts anderes übrig, als in den Lift zu steigen und hoch in meine Wohnung zu fahren. Der Fall war für mich nicht erledigt, er fing jetzt erst an, das stand fest.
    »Pssst!«
    Das Geräusch stoppte mich auf dem Weg zum Lift. Ich drehte mich um und sah aus der Türnische einen winkenden Arm. In dieser Wohnung lebte die Familie Munoz.
    »Kommen Sie, Mister, kommen Sie. Jetzt ist die Luft rein. Wir können gern über Lilian sprechen.«
    Nichts hätte ich in diesem Augenblick lieber getan…
    ***
    Der Begriff »Engelkind« wollte mir nicht aus dem Kopf. Deshalb verglich ich auch die neben mir hergehende Evita Munoz mit einem Engel. Dazu trug auch ihr weißes Kleid mit bei, dessen Saum in Höhe der Waden endete. Sie war groß, recht gut entwickelt, und die nur vierzehn Jahre sah man ihr beileibe nicht an. Das rabenschwarze Haar war in die Höhe getürmt worden und dort zu einem Kreuz zusammengeflochten. Ihr rundes Gesicht mit den rosigen Wangen zeigte noch einen kindlichen Ausdruck. Da hatte sich der Babyspeck noch nicht ganz verflüchtigt.
    Ziemlich forsch sprach sie mich an und rückte mit ihrem Vorschlag heraus. »Wir sollten direkt in mein Zimmer gehen, Mister, alles andere ist hier mies.«
    Das war wohl mehr Geschmacksache. Aber welcher Jugendliche ist schon mit der Wohnungseinrichtung seiner Eltern zufrieden? Jedenfalls war diese Wohnung anders geschnitten als die meine, und es gab auch einen Raum mehr. Durch eine halb offen stehende Tür hatte ich einen kurzen Blick in das Wohnzimmer werfen können. Die Möblierung entsprach auch nicht meinen Vorstellungen.
    Couch und Sessel mit einem nachgemachten Raubtierfellbezug zu beziehen, das war schon gewöhnungsbedürftig. Die geschwungenen Lampen wirkten ebenfalls kitschig. Es hätte nur noch die Tapete mit Palmenaufdrucken gefehlt.
    Evita hatte meinen Blick gesehen. »Na, gefällt es Ihnen?«
    »Nicht mein Fall.«
    »Meiner auch nicht. Aber meine Mutter fühlt

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