1045 - Zombie-Eulen
wieder zurücklegte.
Bill stieß mich an. »Ich denke, wir sollten uns mal hier in der Nähe umschauen. Die Wohnung hat sicherlich noch andere Zimmer.«
Damit war ich einverstanden. Auch ich war mittlerweile davon überzeugt, daß sich etwas in unserer nicht sichtbaren Nähe tat. Die Szene hier im Zimmer wirkte wie eingefroren. Niemand sprach mehr. Wir waren da und kamen uns vor wie Athleten, die in den Startlöchern standen und auf das Zeichen warteten.
Mrs. Kasanu hockte noch immer auf dem Bett. Sie hatte sich jetzt gedreht und schaute ihren Mann nicht mehr an. Dafür in unsere Richtung.
Bill und ich ließen die beiden hohen Fenster nicht aus den Augen. Hinter den Scheiben ballte sich die Dunkelheit zusammen. Sie sah aus, als wäre sie mit Farbe gestrichen worden.
»Was ist denn jetzt…«
»Bleiben Sie nur ruhig, Mrs. Kasanu.«
»Dann glauben Sie es auch?«
Ich winkte ab, weil ich sie beruhigen wollte. Bill stand bereits vor einem der Fenster. Er hatte seinen rechten Arm angehoben und hielt schon den Fenstergriff umfaßt.
»Neinnn… nicht - bitte!« Es klang wie ein Wehlaut. »Wenn Sie das Fenster öffnen, Mr. Conolly, lassen Sie das Böse hinein, und das geht doch nicht.«
»Wir sind es gewohnt, uns dem Bösen zu stellen.«
»Und wenn die Eule plötzlich herkommt und Sie auch verletzt?«
»Wir werden uns zu wehren wissen«, erklärte ich ihr. Ich stand ebenfalls vor einem Fenster und schaute durch die Scheibe. Darin malte sich noch ein Teil der Wohnung ab. Ich sah die Lampe wie ein Gestirn schweben, sehr schwach auch den Umriß des Bettes, und die draußen liegende Dunkelheit war wie ein großer Rachen.
Dort bewegte sich nichts. Auch die Straße lag wie eine finstere Schlucht unter mir.
Bill öffnete das Fenster. Der alte Holzrahmen quietschte, als stecke eine Stimme darin. Mein Freund beugte sich vorsichtig hinaus. Er wollte nicht in Gefahr laufen, aus dem Dunkeln attackiert zu werden.
Bei mir blieb das Fenster noch zu. Ich behielt Bill im Auge, der sich zuerst nach links und später nach rechts drehte. Dabei bewegte er den Kopf so, daß er an der Fassade in die Höhe schauen konnte, als wollte er das Dach sehen.
Die Luft war kalt und feucht. Sie brachte den Geruch nach Regen und auch nach faulig riechendem Hafenwasser mit. Kein Gestirn stand am Himmel und schickte seinen Gruß, und die Geräusche der Umgebung wurden von der feuchten Luft verschluckt.
»Und?«
Bill hatte meine Frage gehört. Er zog sich etwas zurück und drehte mir sein Gesicht zu. »Nein, ich sehe nichts. Ion Kasanu scheint sich geirrt zu haben.«
»Das ist kein Irrtum!« schrie der Verletzte. »Ich weiß es genau. Sie ist da, verflucht!«
Und sie war auch da!
Sie kam aus der Dunkelheit. Aus diesem für sie idealen Schutz. Sie schrie nicht. Sie war ein flatternder Schatten, der anwuchs und beinahe die gesamte Fensterbreite einnahm. Es war ein großes Tier mit gewaltigen Augen und einem deutlich abgesetzten Gesichtsfeld. Ein Greifvogel, der bei Dämmerung und in der Nacht auf Jagd ging, jetzt aber nicht Mäuse oder anderes Kleingetier suchte, sondern es auf einen Menschen abgesehen hatte.
Der Vogel war sehr schnell gewesen, und Bill Conolly hatte ihn auch kaum gehört. Es war aus dem Dunkel geschossen, schien sich zu ducken und griff den Reporter an.
Bill sprang zurück. Dabei riß er seine Hände hoch, um das Gesicht zu schützen.
Ich hörte ihn fluchen und bekam auch den Schrei der Frau mit.
Dann aber hackte das Tier wie ein Automat auf den Reporter ein…
***
Als das Kind zu schreien begann, öffnete Mara ihr Kleid und hob die linke schneeweiße Brust an, um die kleine Jana trinken zu lassen. Das Kind hatte Hunger, und sein Mündchen fand zielsicher die Brustwarze. Das Schreien hörte auf, und das Baby schloß zufrieden die Augen, während es nuckelte.
Die dreiundzwanzigjährige Mara mit den großen dunklen Augen in ihrem runden, noch etwas mädchenhaften Gesicht hob den Kopf und schaute über den Tisch hinweg zu dem Mann, der ihr gegenüber saß und so wirkte, als könnte er ihr Großvater sein, der auf seine Enkelin und deren Kind achtgibt, daß beiden nur nichts passierte.
Er lächelte. »Es tut der Kleinen gut, nicht?«
»Ja, sie hatte Hunger.«
Frantisek Marek nickte. »Laß sie nur trinken, Kind. Das beruhigt nicht nur dein Kind, auch uns.« Er strich sein grauweißes Haar zurück und stand auf.
Sofort bekam Mara einen ängstlichen Blick. »Willst du weg, Frantisek, und mich allein lassen?«
»Nicht
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