1047 - Madame Medusa
zählte auch zu den Sprengstoffexperten. Durch ihn war schon so mancher Zeitgenosse atomisiert worden.
Dieser Job war leicht. Er hätte darüber lachen können. Aber der Mann mit den glatten dunklen Haaren und dem scharfgeschnittenen Gesicht hütete sich vor dieser Reaktion. Er lachte nicht, denn in seinem Innern hatte sich etwas aufgebaut, mit dem er nicht zurechtkam. Es war nur ein Gefühl, das er allerdings richtig einschätzte, denn er nahm es als Warnung hin.
Ein Besuch bei Madame Medusa hörte sich einfach an. Nur sagte ihm seine innere Stimme, daß es so einfach nicht werden würde, und deshalb war er auf der Hut.
Der unauffällige dunkle Ford parkte so, daß Joker das Haus unter Kontrolle halten konnte. Hin und wieder wurde das Grundstück durchfahren, aber zu Madame Medusa wollte kein Kunde, was ihn wiederum wunderte, wo sie doch so ausgelastet war.
Irrtum. Es war jemand da.
Er sah, wie die Haustür von innen geöffnet wurde. In deren Ausschnitt erkannte er zwei Personen, die sich vor dem dahinterliegenden Licht abhoben.
Zum einen war es ein Mann, zum anderen eine Frau. Joker hatte die weibliche Person nicht deutlich genug gesehen, wußte aber, daß es sich um keine Weiße handelte. Für diese Gegend eigentlich natürlich. Er dachte auch daran, daß in der nächsten Seitenstraße hinter ihm der African Club lag. Er hatte es im Vorbeifahren gesehen. Sicherlich ein El Dorado für Diplomaten und deren Freunde. Sicherlich auch eine besondere Nachrichtenbörse.
Der Besucher war verabschiedet worden, die Tür fiel wieder zu, und der Mann ging quer über das Grundstück auf das Ende zu. Die Bäume hatten ihr Laub verloren. Es breitete sich als Teppich auf dem Boden aus, und der Mann schleuderte es hin und wieder mit seinen Schuhspitzen hoch. Er ging wie jemand, der in Gedanken versunken war und nicht eben etwas Positives erfahren hatte.
Joker schaute auf die Uhr.
Genau drei Minuten hatte er Zeit, um pünktlich zu sein. Sehr gut getimt, dachte er noch.
Er stieg aus.
Der Besucher überquerte die Straße und spazierte auf dem Gehsteig weiter. Ob er zu seinem Fahrzeug ging, interessierte Joker nicht. Von nun an war es sein Spiel.
Er hatte den Mantel nicht übergestreift. Es war sehr warm in London. Zu warm für den Januar, aber dieses Wetter hatte auch die schweren Stürme gebracht, die an der Südküste verheerenden Schaden angerichtet hatten. In London war es zwar auch stürmisch gewesen, doch die Folgen hatten sich in Grenzen gehalten.
Jetzt wehte ebenfalls ein starker Wind, der auch nach seinen Haaren griff. Er konnte der Glätte nicht viel anhaben, denn das Gel hielt die Frisur zusammen.
Joker nahm den gleichen Weg wie der letzte Besucher, nur eben in umgekehrter Richtung. Vor der Haustür blieb er stehen. Das Licht fiel von oben her auf ihn und ließ ihn überdeutlich erscheinen, was ihm gar nicht gefiel. Er stand auf dem berühmten Präsentierteller, kniff die Augen etwas zusammen und berührte mit der Kuppe seines rechten Zeigefingers den aus dem Mauerwerk hervorragenden Klingelknopf. Er befand sich direkt über dem Messingschild mit der Aufschrift MADAME MEDUSA.
Das Holz der Tür war so dick, daß er den Anschlag der Klingel nicht hörte. Im Haus war das Signal empfangen worden, denn sehr bald wurde ihm die Tür geöffnet.
Diesmal sah er die junge Frau aus der Nähe. Es war eine Schwarze, die ein sehr buntes, weit geschnittenes Kleid trug, die Lippen goldfarben angemalt und mit einem Puder der gleichen Farbe ihre Augendeckel bestrichen hatte.
»Sie wünschen, Sir?«
»Ich bin bei Madame angemeldet.«
»Ihr Name?«
»Joker. Nur einfach Joker.«
»Ah ja.« Die junge Frau nickte ihm zu. »Sie sind heute der letzte Kunde, den Madame empfängt.«
»Ich weiß die Ehre wohl zu schätzen.«
»Bitte, kommen Sie herein.«
Joker erhielt freien Weg, ging in eine Diele, die recht geräumig war, ihn aber trotzdem enttäuschte, weil er nichts Unheimliches oder Geheimnisvolles in dieser Umgebung fand. Sie war völlig normal eingerichtet. Es gab eine Sitzecke, eine Garderobe, einen Tisch vor der Sitzgruppe. Auf ihm lagen Zeitschriften wie beim Arzt. Bunte Blätter, die im Wochenrhythmus erschienen. Die Treppe nach oben war ebenfalls zu sehen. Sehr schmal und auch steil führten die Stufen hoch, dicht vorbei an einem Deckenlüster, dessen Licht aber gedimmt worden war, so daß nur ein gedämpfter Schein den Raum erhellte. Dafür stand neben dem Tisch eine Leseleuchte, deren Licht sehr kalt wirkte.
Die
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