1047 - Madame Medusa
kam der Gedanke an eine Perücke.
»Guten Abend«, sagte sie.
Joker nickte. »Ja, guten Abend.«
»Sie sind also für heute mein letzter Gast.«
Er hob die Schultern. »Es hat sich so ergeben.«
»Sicher. Einer muß der letzte sein. Und Sie wissen sicherlich auch, weshalb Sie zu mir gekommen sind.«
»Klar, weiß ich das.« Joker ärgerte sich, weil er seine Ruhe verloren hatte. Er kam sich so fremd vor und fühlte sich zugleich umzingelt. Er hatte gedacht, eine Frau vorzufinden, die ihm aus den Karten oder aus der Kugel das Schicksal hervorlas. Nichts dergleichen war auf dem Schreibtisch zu sehen.
Nur ein Telefon stand dort, und es wirkte auf ihn wie ein Fremdkörper. Er hätte sich gern bewegt und sich noch weiter umgeschaut, doch er blieb sitzen, als hätte man ihm den Befehl dazu gegeben.
Diese Frau, obwohl sie relativ weit von ihm entfernt saß, schien doch eine große Macht auf ihn auszuüben.
Genau das paßte Joker nicht. Normalerweise war es umgekehrt. Da diktierte er die Bedingungen, hier aber fühlte er sich wie in einer Falle, die er nicht aus eigener Kraft verlassen konnte.
Er hatte sich zuvor ein Konzept zurechtgelegt und auch überlegt, was er sagen würde, nur war das jetzt vorbei. Ihm schossen alle möglichen Gedanken durch den Kopf, nur eine klare Linie konnte er nicht finden.
Er hatte seine Hände auf die Lehnen des Sessels gelegt. Dabei spürte er Schweiß auf den Handflächen und auch in den Achselhöhlen. Es war nicht einmal warm in der Umgebung. Sein Zustand basierte auf der inneren Erregung, auch wenn er sich äußerlich nichts anmerken ließ.
Madame Medusa übernahm das Wort. »Warum sind Sie zu mir gekommen, Mr. Joker?«
Er lächelte und antwortete mit einer Gegenfrage. »Warum kommt man schon zu Ihnen, Madame.«
»Weil ich helfen soll und kann.«
»Durch einen Blick in die Zukunft?«
»So ist es.«
»Deshalb bin ich auch hier.«
Sie ließ sich Zeit. Ihre Hände rutschten über die Schreibtischplatte hinweg. Das dabei entstehende leise Quietschen störte den Mann. Er protestierte allerdings nicht.
Sie lehnte sich zurück. Ihr Stuhl kippte dabei mit der Lehne leicht nach hinten. »Die Menschen, die zu mir kommen, haben Probleme, das stimmt. Ich bin es zudem gewohnt, daß sie immer ehrlich zu mir sind. Deshalb frage ich Sie. Sind Sie ehrlich, Mr. Joker?«
»Sicher.«
Madame wartete. Sie lächelte. Vielleicht wissend? Joker konnte es nicht so genau sagen, aber auf irgendeine Art und Weise fühlte er sich schon durchschaut.
»Sie heißen Joker?«
Die Frage überraschte ihn. »Klar.«
»Ein seltsamer Name, finden Sie nicht auch?«
Diesmal grinste Joker. »Was wollen Sie, Madame? Niemand kann sich seinen Namen aussuchen.«
»Das stimmt.«
»Sie heißen Madame Medusa.«
»So kennt man mich.«
»Normal hört sich der Name auch nicht an.«
»Es liegt an meinem Beruf, daß ich mir ein Pseudonym suche, das sehr einprägsam ist.«
»Das ist bei Medusa sicherlich der Fall«, gab er zu. »Aber ich frage mich, was die Medusa mit einer Wahrsagerin zutun hat. Sie ist doch die Gestalt aus der griechischen Mythologie, die Schlangen statt Haare auf dem Kopf hat, und die Menschen zu Stein werden läßt, wenn diese die Medusa angeschaut haben.«
»Sehr gut.«
»Wo sind Ihre Schlangen?«
Joker hatte die Frage leicht lächerlich gestellt. Er hatte sogar lachen wollen, doch das war ihm sehr schnell vergangen, denn Madame bewegte sich ruckartig wieder vor. »Sie sind erschienen, um mir nur diese und ähnliche Fragen zu stellen?«
»Bestimmt nicht. Das Gespräch drängte sich nur in diese Richtung. Das ist alles.«
»Natürlich, Mr. Joker.« Madame betonte den Namen wieder besonders stark. »Wo also liegen Ihre Probleme?«
»In meiner Arbeit.«
»Sie kommen damit nicht mehr zurecht.«
»So ist es nicht. Es geht wirklich um die Zukunft.«
»Gut. Sie werden verstehen, daß ich einiges über Sie wissen muß. Auch eine Wahrsagerin ist nicht allwissend. Was machen Sie denn beruflich, Mr. Joker.«
»Ich bin Händler.«
Madame nickte. »Das kann ehrenwert sein. Womit handeln Sie denn, wenn ich fragen darf?«
Sie näherten sich dem Ziel. Joker ärgerte sich darüber, daß er innerlich glühte, obwohl er doch darüber hätte erfreut sein können und müssen. »Mit vielem…«
Wieder lachte ihn Madame an. »Das ist mir ebenfalls zu vage, wenn ich das sagen darf. Welche Firma hat Sie ein- oder angestellt?«
»Ich bin frei und selbständig. Ich schaue mich in der Welt um und halte auch
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