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105 - Das indische Tuch

105 - Das indische Tuch

Titel: 105 - Das indische Tuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Konsulat angestellt. Um sieben Uhr abends lief in Scotland Yard die Nachricht ein, daß Dr. Amersham seine Wohnung in Ferrington Court wieder verlassen hätte, um nach Marks Priory zu fahren. Den Chauffeur hatte er zu Hause gelassen und den Wagen selbst gesteuert. Kaum hatte Chefinspektor Tanner dies erfahren, als er sich sofort mit den Überwachungsstellen der Landpolizei in Verbindung setzte. Gegen acht Uhr erhielt er die Bestätigung, daß der Doktor in südlicher Richtung davongefahren wäre. Daraufhin fuhr er sofort in einem Taxi zu Amershams Wohnung.
    Diesmal hatte er einen Durchsuchungsbefehl in der Tasche. Er unterhielt sich mit Bould und zeigte ihm das Schriftstück.
    »Das muß ich aber dem Doktor berichten, wenn er morgen zurückkommt.«
    »Wenn Sie es diesmal vergessen wollten, täten Sie mir einen großen Gefallen. Ich verspreche Ihnen auch, alles genau wieder so zu ordnen, wie ich es vorfinde.«
    Totty begleitete ihn.
    Als sie erst einmal in den Räumen waren, begannen sie eine systematische, sorgfältige Durchsuchung. Viele Beweise sprachen dafür, daß der Doktor gerade kein Einsiedler und Lebensverächter war; die luxuriös ausgestattete Wohnung war mit Kunstwerken aus Indien dekoriert. Totty öffnete mit einem Dietrich den Schreibtisch, aber sie entdeckten nur wenig, was sie interessierte.
    Das Bankbuch, das sie suchten, war nicht in der Wohnung. Sie fanden allerdings eine Bankabrechnung, aus der hervorging, daß der Doktor ein Konto von achttausend Pfund auf der Bank hatte. Allem Anschein nach war er auch beruflich tätig, denn in seinem Schlafzimmer fanden sie eine Ledertasche mit ärztlichen Instrumenten.
    Der Inspektor machte nach einer Weile eine wichtige Entdeckung. Er hatte alle Schubladen des Schreibtisches herausgezogen und ihren Inhalt durchsucht. Dabei bemerkte er, daß zwei der Schubladen bedeutend kürzer waren als die anderen. Er fühlte in die Vertiefungen, und als er an die Rückseite des Schrankes klopfte, klang es hohl. Bald darauf gelang es ihm auch, ein Brett zurückzuschieben. Er steckte die Hand in die Öffnung, fühlte etwas Weiches und holte ein Stück Zeug heraus. Als er es betrachtete, schrak er zusammen.
    Es war ein rotseidenes Halstuch von derselben Größe und demselben Muster wie das Seidentuch, mit dem Studd ermordet worden war!
    Er rief Totty zu sich, und auch der Sergeant stand sprachlos, als er es sah. Auch die kleine Metallplatte, die den Namen der Firma trug, fehlte nicht. Allem Anschein nach war das Tuch noch nicht benützt worden.
    Die beiden Beamten schauten einander an.
    »Morgen werde ich eine Frage an Dr. Amersham stellen«, sagte Tanner, »und ich glaube, es wird ihm nicht leicht werden, eine Antwort darauf zu finden.«
     
    Zwei Angestellte in Marks Priory haßten einander. Mr. Kelver, der Butler, war allerdings viel zu vornehm, seine Abneigung gegen die Zofe der Lady Lebanon zuzugeben. Miss Jackson dagegen machte aus ihrer Verachtung für den alten, würdevollen Mann kein Hehl.
    Der Streit hatte schon vor langer Zeit begonnen. Miss Jackson hatte geglaubt, dem Butler einen großen Dienst zu erweisen, wenn sie ihm eine lange, skandalöse Geschichte über Lady Lebanon erzählte. Mr. Kelver hatte schweigend zugehört und schließlich gesagt:
    »Miss Jackson, erzählen Sie mir bitte solche Geschichten nicht. Ich interessiere mich nicht für das Privatleben meiner Herrschaft. Angehörige der Aristokratie haben gewisse Vorrechte, die Leuten in niederer Stellung gewöhnlich sonderbar vorkommen.«
    »Wenn Sie mich zu den niederen Ständen rechnen, Mr. Kelver –«, hatte die Zofe hitzig erwidert.
    Der Butler hatte sie nur durch eine Handbewegung zum Schweigen gebracht, aber gerade diese Geste hatte Miss Jackson tief gekränkt. Von da ab waren die beiden Feinde. Er sagte nichts darüber, aber sie ließ keine Gelegenheit vorübergehen, ihm etwas anzuhängen. Sie gehörte zu den bevorzugten Dienstboten, denn sie hatte noch Zutritt zu den herrschaftlichen Räumen, wenn alle anderen Angestellten bereits ausgeschlossen waren.
    Bevor sich Lady Lebanon abends um elf Uhr zurückzog, entließ sie ihre Zofe durch die Tür, die zu dem Flügel der Dienerschaft führte, und schloß diese Tür selbst hinter ihr ab.
    Die Leute in Marks Priory hatten deshalb den Eindruck, daß Miss Jackson in manche Geheimnisse eingeweiht war, von denen andere nichts wußten. Sie besaß außerdem das Vertrauen ihrer Herrin und wurde daher mit dem größten Respekt von den anderen behandelt.

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