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105 - Das indische Tuch

105 - Das indische Tuch

Titel: 105 - Das indische Tuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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erraten hätte.
    »Es ist gut, in ein paar Minuten komme ich auf mein Zimmer.«
    Plötzlich näherten sich schnelle Schritte, und Isla trat in die Halle.
    »Was willst du denn hier?« fragte Lady Lebanon scharf.
    »Ach – nichts.«
    Isla sprach die Wahrheit; sie sah aus, als ob sie einen Schrecken erlebt hätte.
    Mit einer Handbewegung wurde die Zofe entlassen.
    »Nun, was gibt es?« Lady Lebanon zeigte auf den Tisch, auf dem eine Karaffe mit Wein stand.
    »Danke, ich möchte nichts trinken – wo ist Gilder?«
    »Ich weiß es nicht – vermutlich in seinem Zimmer.«
    »Er ist ausgegangen«, erwiderte Isla nervös und ängstlich. »Und Brooks ist auch fort. Ich sah von meinem Fenster aus, daß sie zusammen weggingen. Um Himmels willen, es wird doch nicht wieder etwas passieren!«
    Sie brach zusammen. Lady Lebanon achtete nicht auf sie, sondern ging schnell zur Haustür, öffnete und starrte in die dunkle Nacht hinaus. Ein paar Augenblicke später hörte sie einen Schrei, der sofort erstickt wurde. Dann herrschte wieder tiefes Schweigen wie vorher. Hochaufgerichtet blieb sie stehen, aber es war ihr, als ob sich eine eisige Hand auf ihr Herz legte. Sie ahnte, was geschehen war.
    13
    Briggs hatte an Tanner geschrieben, daß er wichtige Aussagen über den Mord in Marks Priory machen könnte, und der Chefinspektor hatte sich entschlossen, ihn von der Polizeistation Cannon Row nach Scotland Yard kommen zu lassen.
    Mit Totty wartete er nun in seinem Büro auf die Ankunft des Mannes.
    Briggs sah etwas wohler aus als bei seiner Verurteilung, machte aber ein melancholisches Gesicht. Man schloß seine Handschellen auf, außerdem durfte er auf einem Stuhl Platz nehmen und eine Zigarette rauchen. Dann sagte er, daß er sich schwach fühle, und bat um einen Kognak.
    »Was die Kerle alles dabei herausschlagen!« meinte Totty bewundernd. »Von denen kann man noch etwas lernen.«
    »Also, Briggs«, begann Tanner kurz und geschäftlich, »Sie waren in der Mordnacht im Dorf Marks Thornton?«
    »Jawohl.« Briggs’ Stimme klang kläglich, als ob er schwer leidend wäre. »Das habe ich ja schon geschrieben. Leider kann ich der Polizei nicht in dem Maß helfen, wie ich gern möchte, denn ich bin durch meineidige Zeugen verurteilt worden, Sie mögen es mir glauben oder nicht, Mr. Tanner. Ich bin so unschuldig wie ein neugeborenes Kind.«
    »Davon bin ich vollkommen überzeugt«, unterbrach ihn der Chefinspektor. »Erzählen Sie uns jetzt, was Sie noch über die Sache wissen.«
    Briggs wollte seinen Aufenthalt in Scotland Yard mindestens so lange hinziehen, daß er während der Zeit drei Zigaretten rauchen konnte. Er erzählte also umständlich, daß er auf dem Zaun saß, der die Felder von Marks Priory einschloß, berichtete dann, daß der Chauffeur Studd eilig an ihm vorüberkam und daß er später einen Schrei hörte …
    »Gleich darauf sah ich einen Mann auf mich zukommen. Er lief und war ganz außer Atem. ›Wer ist da?‹ rief ich. ›Es ist alles in Ordnung‹, antwortete der Mann. ›Ich bin Dr. Amersham.‹«
    »Stimmt das auch?« fragte Tanner und machte sich eine Notiz. »Davon haben Sie doch in Ihrem Brief nichts geschrieben?«
    »Nein, ich habe nur angedeutet, worum es sich handelte. Wenn ich ganz offen sein soll: Ich sagte mir, wenn ich alles genau schreibe, wollen Sie mich nachher nicht mehr sprechen.«
    »Ach so, Sie wollten einen Tag vom Gefängnis fort. Nun gut, also was passierte dann?«
    Tanner wußte rein gefühlsmäßig, ob ein Verbrecher die Wahrheit sagte oder nicht. Und Briggs’ Worte entsprachen wohl den Tatsachen.
    Der Mann stand auf und ging zum Schreibtisch. Er wollte seine Aussage möglichst dramatisch gestalten, besonders, da er jetzt zu einem gewissen Höhepunkt kam.
    »Mr. Tanner«, sagte er langsam, »ich habe ein unheimliches Gedächtnis für Stimmen, und als ich ihn reden hörte, erkannte ich ihn wieder!«
    »Was, Sie hatten ihn schon vorher getroffen?« fragte der Chefinspektor überrascht. »Wo war denn das?«
    »Im Gefängnis in Puna, als uns beiden der Prozeß gemacht wurde. Damals war er Offizier, und man hatte ihn verhaftet, weil er den Namen eines Kameraden unter einem Scheck gefälscht hatte. Es war allerdings ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß wir zu gleicher Zeit im Gefängnis sein mußten. Ich hatte mich wegen einer ähnlichen Sache zu verantworten. Er ist aber so davongekommen; man hat die Sache damals vertuscht, um einen Skandal zu vermeiden.«
    Tanner sah ihn ungläubig an.

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