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105 - Das indische Tuch

105 - Das indische Tuch

Titel: 105 - Das indische Tuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Nur Kelver hielt sie für niederträchtig.
    An dem Abend, an dem Tanner die wichtige Entdeckung machte, saß der Butler in seinem Zimmer und las Scott. Plötzlich klopfte es, und zu seinem größten Erstaunen kam Miss Jackson zur Tür herein. Auf den ersten Blick sah er, daß sie sich aufgeregt hatte; sie war nervös und im Gegensatz zu ihrer sonst so unliebenswürdigen Art geradezu unterwürfig zu ihm. Allein die Tatsache, daß sie sein Zimmer betrat, war der beste Beweis hierfür.
    »Entschuldigen Sie, Mr. Kelver, daß ich Sie störe. Wir wollen Vergangenes vergessen sein lassen, denn wenn jemals ein junges Mädchen einen Freund brauchte, dann bin ich es. Und ich weiß, daß ein vornehmer Charakter wie Sie einem jungen Ding nichts nachträgt …«
    Mr. Kelver lächelte innerlich über das »junge Mädchen«, aber er machte keine Bemerkung. Sie berichtete ihm nun mit einem unglaublichen Wortschwall, was ihr zugestoßen war, und er hörte ihr freundlich zu.
    Sie erzählte, daß Lady Lebanon sehr aufgeregt gewesen wäre und ihr gekündigt hätte.. Ja, sie hätte sie sogar geschlagen! Kelver nahm diese Nachricht mit der größten inneren Befriedigung auf, denn eine solche Behandlung hatte er der Zofe schon öfter gewünscht. Aber er ließ sich nichts merken, zog nur die Augenbrauen hoch und nickte ernst.
    »Mylady war den ganzen Tag so unvernünftig, ich konnte ihr nichts recht machen, und ich hätte ihr selbst gekündigt, wenn sie mir nicht zuvorgekommen wäre. Ich habe genug von diesem verdammten Haus –«
    »Aber Miss Jackson!« erwiderte Kelver entsetzt.
    »Es ist doch wirklich ein verdammtes Haus – hier spukt es! Ich habe Dinge gesehen, die Sie kaum glauben würden! Aber wenn ich gehe, werde ich den Leuten schon alles erzählen, darauf können Sie sich verlassen!«
    »Aber meine liebe junge Freundin«, sagte Mr. Kelver würdevoll und herablassend, »je weniger man darüber redet, desto schneller kommt die Sache in Ordnung. In dieser Welt gibt es die verschiedenartigsten Charaktere. Wenn wir alle gleich dächten und handelten, wäre es ja auch todlangweilig. Ich habe selbst bemerkt, daß Mylady heute in nicht gerade guter Stimmung ist. Sicher ist sie durch irgendeinen unangenehmen Vorfall aus der Fassung gebracht worden. Sie müssen den Herrschaften eben manches nachsehen.«
    »Das tue ich aber nicht!«
    Mr. Kelver sah die Nutzlosigkeit ein, die Zofe zu besänftigen. Er warf einen Blick auf die Uhr; es war noch nicht zehn.
    »Heute abend sind Sie aber frühzeitig mit dem Dienst fertig.«
    »Ich muß wieder zurück. Amersham ist bei ihr, und die beiden haben sich in den Haaren. Sie hat gesagt, daß sie nach mir klingeln würde, wenn sie mich brauchte.«
    »Wollen Sie nicht eine Tasse Tee trinken, Miss Jackson? Das wäre gut zur Beruhigung Ihrer Nerven.«
    »Ich würde lieber einen Whisky-Soda nehmen.«
    Mr. Kelver fiel es schwer, aber schließlich holte er doch eine frische Flasche aus seinem Schrank hervor.
    Es gab an diesem Abend wirklich Auseinandersetzungen in Marks Priory. Dr. Amersham war um neun gekommen und nicht in der Stimmung, sich Vorwürfe machen zu lassen. Im Gegenteil, er kam in übelster Laune.
    »Mylady, ich wünschte, Sie würden es sich früher überlegen, wenn Sie mich dringend sprechen wollen. Ich hatte heute abend eine wichtige Verabredung.«
    »Unsere Unterhaltung ist wichtiger als alles andere.«
    Lady Lebanon saß steif in ihrem Sessel in der großen Halle. Ihre bleichen Züge waren undurchdringlich, und ihre dunklen Augen blitzten drohend.
    »Wenn Sie etwas Wichtigeres haben, möchte ich das doch gern erfahren.«
    Einen Augenblick schien er die Fassung zu verlieren, aber er beherrschte sich.
    »Sie wollten mich wegen dieses Detektivs sprechen? Wenn er so dumm und einfältig war, daß er beinahe erwürgt wurde –«
    »Wer hat Ihnen das gesagt?«
    »Ich habe davon gehört.«
    »Von wem?«
    »Gilder telefonierte mich an.«
    Sie sah ihn eine Weile an, ohne ein Wort zu sprechen.
    »Ich wollte Sie nicht wegen des Detektivs sprechen, sondern wegen einer Angelegenheit, die Sie selbst angeht.«
    Sie nahm ein Blatt Papier, das vor ihr lag.
    »Heute kam eine Frau zu mir – die Kellnerin unten aus dem Dorf.«
    Sein Gesichtsausdruck änderte sich.
    »Ja, und was soll das?« fragte er trotzig.
    »Ist es wahr, daß Sie – sich mit ihr eingelassen haben?«
    Er gab keine direkte Antwort.
    »Was für ein Klatsch! Mylady, wenn Sie auf die Leute unten im Dorf hören –«
    »Ich frage, ob das wahr

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