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105 - Das indische Tuch

105 - Das indische Tuch

Titel: 105 - Das indische Tuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Chefinspektor. »Obwohl Ferraby erklärte, Sie würden kommen, habe ich Sie nicht erwartet. Da Sie nun aber einmal hier sind, hoffe ich, Sie sagen mir verschiedenes, das den einen oder anderen fraglichen Punkt des Rätsels aufklärt. Natürlich habe ich nicht das Recht, Fragen an Sie zu stellen. Aber da Sie freiwillig erschienen sind, werden Sie mir sicher helfen wollen. In Marks Priory stehen mehrere Personen in Verdacht, darunter –«
    Tanner machte absichtlich eine Pause.
    »Meinen Sie meine Mutter?« fragte der Lord ruhig.
    Tanner nickte.
    »In gewisser Weise. Sie muß natürlich bedeutend mehr wissen, als sie uns gesagt hat. Aber ich dachte eigentlich noch mehr an einen anderen – an Dr. Amersham.«
    Lebanon lächelte bitter.
    »Mir ist dieser Mann immer rätselhaft gewesen, und ich wundere mich nicht, daß er verdächtigt wird. Was meine Mutter angeht –« Er zögerte, weil er nach Worten suchte, um ihre Stellung richtig zu kennzeichnen. »Sie sollen alles erfahren, was ich weiß«, fuhr er schließlich fort. »Ich will es Ihnen von Anfang an erzählen. Sie sollen auch wissen, daß ich Amersham nicht ausstehen kann. Ich bin gegen ihn voreingenommen, das gebe ich gern zu.«
    Der Lord setzte sich. Er sprach langsam und machte öfters Pausen, um die geeigneten Worte zu wählen.
    14
    »Ich will mit der Zeit beginnen, als ich noch zur Schule ging. Sehr stark bin ich niemals gewesen, und ich habe Eton auch nur zwei Jahre lang besucht. Dann wurde ich aus der Schule genommen und bekam einen Hauslehrer. Wie Sie vielleicht wissen, war mein Vater krank und schloß sich von der Außenwelt ziemlich ab. Er verbrachte sein ganzes Leben, mit Ausnahme eines Winters in Südfrankreich, auf seinem Landsitz in Marks Priory. Aber selbst wenn ich in den Ferien zu Hause war, habe ich ihn nur selten gesehen.
    Unter uns kann ich ja ruhig sagen, daß keine große Zuneigung zwischen uns bestand. Gewiß hatte ich großen Respekt vor ihm, aber das war auch alles.
    Marks Priory selbst hat mir nie gefallen; schon in meinen jungen Jahren bin ich sehr ungern hingegangen. Sehen Sie, Mr. Tanner, ich besitze nicht den Familienstolz, den meine Eltern haben. Für die war jeder Stein des Schlosses heilig und die Tradition wichtiger als die Heilige Schrift.
    Nachdem ich die Schule verlassen hatte, brachte ich den größten Teil meiner Zeit mit meinem Lehrer in der Schweiz zu. Wir gingen auch nach Südfrankreich und Deutschland und besuchten gelegentlich englische Seebäder, zum Beispiel Torquay. Mein Vater hatte in der Armee gedient – es ist bei uns Familientradition, daß immer einer im Kavallerieregiment dient –, und so kam auch ich nach Sandhurst. Es gelang mir, die Prüfungen zu bestehen. Hervorragend waren meine Leistungen allerdings nicht, aber doch etwas über dem Durchschnitt.
    Bis dahin hatte ich nur wenig von Dr. Amersham gesehen, obwohl er als Hausarzt meines Vaters regelmäßig ins Schloß kam. Ich wußte, daß er einige Jahre in Indien gelebt hatte, aber ich hatte keine Ahnung, daß er die Armee aus besonderen Gründen verlassen mußte. Ich meine damit, daß die Sache nicht ganz klar lag. Der Grund war wohl in einer häßlichen Handlungsweise seinerseits zu suchen.
    Er war mir immer unsympathisch. Ich kann mich darauf besinnen, daß er sich damals meinen Eltern gegenüber ziemlich unterwürfig benahm. Aber allmählich änderten sich sein Verhalten und seine Stellung. Er tat so, als ob er alles zu sagen hätte, und mischte sich in Dinge ein, die ihn nichts angingen.
    Mein Regiment wurde bald nach Indien geschickt, nachdem ich als Offizier eingetreten war, und ich freute mich, daß ich von England fortkam. Mein Vater war damals schon hoffnungslos krank. Als ich später von seinem Tod erfuhr, tat es mir leid, aber nur um meiner Mutter willen. Ihn selbst habe ich eigentlich nie beklagt – ich will in diesem Punkt offen sein und mich nicht besser machen, als ich in Wirklichkeit bin.
    Als das geschah, war ich in Indien, wo es mir verhältnismäßig gut ging. Die gesellschaftlichen Verpflichtungen waren etwas langweilig, aber schließlich auszuhalten. Nur schoß ich unglücklicherweise einmal auf der Jagd einen meiner Treiber an, er kam in die Schußlinie, als ich gerade auf einen Tiger anlegte. Das war ein böser Zufall.
    Vielleicht wäre alles noch gut abgelaufen, so daß ich nicht nach England hätte zurückkehren müssen. Meine Mutter ist eine sehr tüchtige Frau; sie konnte die Verwaltung der Güter selbst leiten. Die

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