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105 - Das indische Tuch

105 - Das indische Tuch

Titel: 105 - Das indische Tuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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irgendwie zusammenkamen, gab es Krach, und wenn es so weitergegangen wäre, hätte er Studd auch entlassen. Ich weiß nicht, was Amersham gegen ihn hatte – vielleicht wußte Studd zuviel über ihn. Aber was es auch immer sein mochte, Amersham war sein Feind. Übrigens hatte Studd früher auch in der indischen Armee gedient.
    In einem der ersten Gespräche, die ich nach meiner Rückkehr von Indien mit meiner Mutter hatte, erwähnte sie ihren dringenden Wunsch, daß ich Isla heiraten sollte. Ich muß natürlich irgend jemand heiraten, das erwartet man von mir. Aber man möchte doch wenigstens selbst wählen. Sie wissen ja, daß Isla eine äußerst schöne und liebenswürdige junge Dame ist. Sie war auch vollkommen normal – bis zu Studds Tod.«
    Tanner richtete sich interessiert auf.
    »Was passierte denn dann?«
    »Von da ab ging eine Änderung mit ihr vor. Sie fürchtet sich entsetzlich, ist vollkommen verängstigt und zuckt zusammen, wenn man sie unerwartet anspricht. Und immer hat man den Eindruck, daß sie darauf gefaßt ist, schreckliche Dinge zu erleben. Außerdem schlafwandelt sie.
    Ich hatte schon früher gehört, daß manche Leute an diesem Übel leiden, aber ich hatte noch niemand in diesem Zustand gesehen. Ich saß gerade in der Halle und trank noch einen Whisky-Soda vor dem Schlafengehen, als Isla im Nachthemd die Treppe herunterkam. Ich war zuerst überrascht, und da ich nicht wußte, was das bedeuten sollte, sprach ich sie an.
    Dann packte mich das Grauen – ich weiß nicht, ob Sie schon einmal einen Schlafwandler beobachtet haben? Es ist furchtbar. Als ich sie anredete, antwortete sie nicht. Aber sie kam in die Halle und ging umher, als ob sie etwas suchte. Schließlich stieg sie wieder langsam die Treppe hinauf. Ich trat nahe an sie heran und sah in ihr Gesicht. Ihre Augen waren weit geöffnet, und sie sprach leise mit sich selbst. Was sie sagte, mag der Himmel wissen; ich konnte kein Wort verstehen.
    Soviel ich weiß, hat sich das zweimal ereignet. Es war mir bekannt, daß man solche Leute nicht aufwecken soll. Ich ging so bald wie möglich zu meiner Mutter und berichtete ihr, was ich erlebt hatte. Das zweitemal hat meine Mutter sie selbst gesehen und zu ihrem Zimmer zurückgeführt.
    Das hat großen Eindruck auf die alte Dame gemacht. Sie war sehr aufgeregt, was man nur selten bei ihr erlebt. Ich kann mich übrigens nicht darauf besinnen, daß meine Mutter mich jemals geküßt hätte.
    Die Tatsache, daß Isla eine Schlafwandlerin ist, macht die Aussicht auf eine Ehe mit ihr gerade nicht sehr angenehm. Man will doch schließlich nicht mitten in der Nacht das ganze Haus durchsuchen, um seine Frau zu finden!«
    »Weiß Dr. Amersham etwas davon?« fragte Tanner nachdenklich.
    Lord Lebanon nickte.
    »Natürlich«, erwiderte er bitter. »Es kann in unserem Haus nichts passieren, ohne daß er davon Kenntnis erhält. Er hat ihr ein Schlafmittel verschrieben, aber ich bezweifle, daß sie es nimmt.«
    »Wovor fürchtet sie sich denn?«
    »Vor allem! Wenn irgendein Brett kracht, fährt sie vom Stuhl auf. Im Dunkeln will sie nicht in den Park gehen, und sie schließt sich in ihrem Zimmer ein. Sie ist die einzige im Schloß, die das tut.«
    Tanner dachte einige Zeit nach. Was er eben gehört hatte, machte den eigentlich schon schwierigen Fall noch komplizierter.
    »Sie sprachen vorhin über einen Mischling in Verbindung mit Dr. Amersham. Können Sie mir die Geschichte genauer erzählen?«
    »Gewiß. Sie war ein sehr schönes Mädchen, und Sie müssen die Sache natürlich erfahren. Es passierte, als er mich damals nach England bringen sollte. Sie wurde in seinem Haus aufgefunden – erdrosselt!«
    Tanner sprang erregt auf.
    »Was?« rief er ungläubig.
    Wenn das stimmte, war das Geheimnis von Marks Priory gelöst.
    »Ist das auch richtig?«
    Lord Lebanon nickte und lächelte triumphierend. Er war noch jung genug, sich über die Sensation zu freuen, die seine Worte hervorgerufen hatten.
    »Ja. Ein wirklich sehr schönes Mädchen – sie gehörte allerdings nicht den besten Klassen an, obwohl ihre Familie sehr reich war. Man fand sie damals erdrosselt auf der Veranda des Bungalows, den der Doktor allein bewohnte. Die Sache wirbelte viel Staub auf, aber man konnte ihm die Tat nicht nachweisen. Man fand jedoch Anzeichen dafür, daß auf der Veranda ein Kampf stattgefunden hatte. Die Zeitungen behaupteten, es müßte ein Eingeborener gewesen sein, der das Mädchen mit seinem Haß verfolgt hatte. Und es war auch

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