105 - Der Ruf nach Freiheit
Jagdfieber hielt die Blicke der Männer auf den Boden gerichtet, während sie Aruulas Spur in den Nebel folgten. Vor einer Reihe verkeilter Felsen änderte sich die Fährte plötzlich, wurde zu Schlangenlinien und kreuzte sich selbst - so oft, dass sie kein klares Bild mehr ergab.
»Der Kerl hat die Orientierung verloren!«, höhnte Yagan.
Aber schon die nächste Sekunde machte deutlich, wie sehr er sich irrte.
Ein schwarzer Schatten sprang von einem der Felsen herab.
Noch im Fall schwirrte die Klinge eines Bihänders heran.
Yagans Kopf fiel zu Boden, einen verblüfften Ausdruck auf dem Gesicht. Die Hoggads sprangen erschrocken beiseite und rissen ihre Schwerter hoch.
Der Schatten war schneller, tauchte ab und stieß Roddii die Klinge in den Bauch. Der Hüne brach stöhnend in die Knie.
Semm stürmte brüllend vorwärts. Er hielt sein Schwert wie eine Lanze vorgestreckt. Der Fremde - die Fremde, denn jetzt erkannte der Hoggad erst, dass er sich um eine Frau handelte! - schlug es ihm aus der Hand. Nur weil er seine Verblüffung rechtzeitig überwand und gedankenschnell zurücksprang, entkam er ihrer Klinge.
Die Barbarin blieb stehen und taxierte ihn.
Semm schob seine Hände auf den Rücken und tastete nach dem Messer hinten in seinem Gürtel. Er bewegte sich seitlich, damit ihn die fremde Barbarin nicht in die Enge treiben konnte.
Sie fasste den Bihänder nach.
»Wo ist Maddrax?«, stieß sie hervor. »Was habt ihr mit ihm gemacht?«
Semm hatte keine Ahnung, wer dieser Maddrax war.
Vermutlich der zweite Eindringling, den sie gefangen hatten.
Aber das Messer, das er zu ziehen versuchte, hatte sich im Rückenleder verhakt. Also musste er Zeit gewinnen.
»Auf den brauchst du nicht zu warten«, sagte er. »Der stirbt gerade.«
Er sah das Erschrecken in den Augen der Barbarin. Für einen Moment schien sie zu wanken, dann hatte sie sich wieder gefangen. Sie deutete mit der Spitze des Bihänders auf sein verlorenes Schwert. »Heb es auf!«, befahl sie und trat zurück.
Semm hatte endlich das Messer zu fassen bekommen. Er warf es mit aller Macht, hechtete gleichzeitig nach seiner Waffe, rollte herum und kam wieder hoch.
Dann kerbte sich Enttäuschung in sein Gesicht - er hatte die Kriegerin verfehlt. Sie lächelte freudlos. »Netter Versuch… Ratze!«
Semm holte aus. Er stach, parierte und schlug jeden Angriff, den er kannte. Aber wohin sein Schwert auch fuhr - die Klinge der Barbarin war schon da und blockte es ab.
Sie unterlief einen waagerechten Hieb, und der Hoggad folgte ihrer Bewegung. Dabei trat er auf eine Unebenheit und musste nachsetzen, um festen Halt zu wahren.
Der kleine Moment genügte der Fremden. Sie zielte auf seinen ungeschützten Arm und zog den Bihänder zurück.
Beißend schnitt die Klinge durch Semms Fleisch. Er schrie auf.
»Verdammt! Dafür wird dein Maddrax tausend Tode sterben, das schwöre ich dir!«, zischte er, warf sich herum und floh.
Doch er kam nicht weit. Das Schwert der Kriegerin holte ihn ein.
»Sei dankbar, dass du nur diesen einen erlebst«, hörte er ihre Worte, bevor sich der Schmerz in seine Eingeweide wühlte.
***
In der Zwischenzeit hatte der Rest der Patrouille das Dorf erreicht und Matt in die Hütte des Clanchefs gezerrt. Endros Laune lag weit unter dem Tiefpunkt. Sein Schädel brummte vom vielen Kaadi , und dass man ihn wegen eines merkwürdig gekleideten Eindringlings aus dem Schlaf gerissen hatte, war auch nicht komisch.
»Wer bist du? Ein Pirat?«, raunzte er Matt an.
Endro hatte kaum gefragt, da meldete sich ungebeten der Anführer der Patrouille zu Wort: Haakor, Gostas ältester Sohn.
Er wandte sich direkt an seinen Vater, der mit verschränkten Armen am Eingang stand und Matts verquollenes Gesicht studierte.
»Der Mann redet nicht«, sagte Haakor. »Wir haben alles versucht, aber er macht den Mund nicht auf.«
Endro ärgerte sich. Diese Gosta-Sippe kannte keinen Respekt! Sogar in der eigenen Hütte wurde man noch frech von ihnen übergangen!
Der Clanchef musste sich beweisen - jetzt, sofort. Aber wie?
Stöhnend massierte er seine Schläfen. Dabei fiel ihm auf, dass unter dem Fenster noch ein ganzer Krug voll Kaadi stand.
Unverdünnt. Endro sehnte sich danach, das Gebräu einfach herunterzukippen und zu sterben. Aber dann hätte Gosta die Führung im Dorf übernommen, und das durfte nicht sein.
Plötzlich fiel ihm etwas ein. Kannte dieser Fremde überhaupt ihre Sprache? Endro zeigte auf Matt.
»Verstehst du uns?«, fragte er im
Weitere Kostenlose Bücher